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Flughafen BBI: Die Fluchrouten

Die Bürgerinitiativen haben sich verdient gemacht, tragen aber auch Verantwortung. Was als gerechtfertigter und als Zeichen wachen Bürgersinns zu wertender Protest gegen Verwaltungsarroganz begann, gleitet mehr und mehr in ein problematisches Fahrwasser.

Als „eierlegende Wollmilchsau“ bezeichnet der Volksmund ein Fabelwesen, dem alle guten und keinerlei schlechte Eigenschaften zugeschrieben werden können. Was die Natur beim besten Willen nicht hergibt, soll im Berliner Umland jetzt doch entstehen: ein Flughafen, von dem aus nur kleine Maschinen geräuschlos in die nähere Umgebung fliegen, der aber auch Ferienflieger Richtung DomRep ganz leise in die Luft gehen lässt; ein Flughafen, der niemanden belästigt, aber die Region an die weltweiten Handelsströme anbindet und dadurch jede Menge gut bezahlter Arbeitsplätze schafft, dank derer man sich wiederum Häuser bauen kann, über die niemals ein Flugzeug fliegen wird.

So etwas gibt es nicht, das liegt auf der Hand. Dass in Bürgerinitiativen gegen den Fluglärm aber mehr und mehr die Illusion geweckt wird, etwas Ähnliches könne doch noch kommen, ist ein Indiz für eine gefährliche Entwicklung. Was als überaus gerechtfertigter und als Zeichen wachen Bürgersinns zu wertender Protest gegen Verwaltungsarroganz begann, gleitet mehr und mehr in ein problematisches Fahrwasser. Die ursprünglichen Planungen für den Flughafen Berlin-Brandenburg-International haben nie, wie jetzt immer wieder behauptet wird, nur einen Verkehrsflughafen für den regionalen Bedarf von Berlin und Brandenburg vorgesehen. Die Forderung, man solle schleunigst zu dieser angeblichen Ursprungskonzeption zurückkehren, weckt somit Erwartungen, die unerfüllbar sind.

In sämtlichen Landesentwicklungsplänen und behördlichen Vorgaben von Berlin und Brandenburg ist seit 1991 von Planungen für einen alleinigen internationalen Verkehrsflughafen ausgegangen worden. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 16. März 2006, das die Bedingungen für den Bau von BBI festschrieb, immer wieder Begriffe wie „Drehkreuz“ und „international“ zitiert. Auch die Ruhezeiten dieses Flughafens haben die Leipziger Richter recht detailliert festgelegt. Zwischen Mitternacht und fünf Uhr darf nicht geflogen werden, zwischen 22 und 24 Uhr sowie zwischen fünf und sechs Uhr mit Einschränkungen. Hier haben die Richter die Gegebenheiten auf anderen internationalen Drehkreuzen wie Amsterdam und London-Heathrow als Orientierung benutzt – die nach dem internationalen Verkehrsaufkommen größten Flughäfen Europas waren die Bezugspunkte, nicht Posemuckel.

Die Bürgerinitiativen sollten entschlossen weiterkämpfen, wo die die Region einig ist – bei der Verlegung der Flugrouten aus dem stadtnahen Bereich in dünner besiedelte Gebiete. Davon sollten sie sich auch nicht durch wirtschaftliche Bedenken abbringen lassen. Keine Airline geht pleite, wenn ihre Flieger Richtung Westen erst hinter dem Autobahndreieck Werder und nicht schon bei Potsdam abdrehen dürfen. Die zuständigen Verwaltungen bis hin zum Bundesverkehrsministerium müssen endlich begreifen, dass es am Ende unheilvolle Radikalisierungen gibt, wenn die Bürger das Gefühl haben, sie würden von der Politik hinhaltend an der Nase herumgeführt.

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