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Meinung: Franz Müntefering: Der Sisyphos der SPD

Es ist leider kein neuer Befund. Aber seine Folgen werden in diesen Tagen immer deutlicher.

Es ist leider kein neuer Befund. Aber seine Folgen werden in diesen Tagen immer deutlicher. Die SPD hat weder einen herausgehobenen Sozialpolitiker, noch einen Volkswirtschaftler, der die Notwendigkeiten in der Globalisierung so einordnen könnte, dass sich der angestammte SPD-Wähler nicht verlassen fühlt. Was bedeutet: Die Partei hat Schwierigkeiten, ihr Stammklientel, das an Wählerpotenzial ungefähr 30 Prozent ausmacht, an sich zu binden. Und dann streitet sie sich auch noch auf offener Bühne über den richtigen Kurs in der Sozialpolitik. Diese Probleme nun hat Franz Müntefering, der früher in Nordrhein-Westfalen Arbeits- und Sozialminister war, zu bewältigen. Und noch mehr.

Müntefering wird zum Sisyphos der SPD. Gerade wegen der Globalisierung und ihrer Folgen, die eine schnellere Reaktionsfähigkeit auch von politischen Einheiten erfordern, muss sich seine Partei auf allen Ebenen ändern. Aber eben auch gerade wegen der Entwicklung, die in ihrer Rasanz Ängste schürt, will sich die SPD offenkundig am liebsten nicht ändern. "In einer so schnell sich verändernden Welt kann nur bewahren, wer zu ändern bereit ist. Wer nicht verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte." Ein kluger Satz von Gustav Heinemann, dem politischen Ziehvater von Johannes Rau, der die nordrhein-westfälische SPD über Jahrzehnte geprägt hat. Und, welche Nachwirkungen sind heute zu besichtigen? Die Funktionäre der SPD - zu denen Müntefering doch eigentlich idealtypisch zu passen scheint - wollen nichts verändern, alles bewahren und blockieren in einer Weise, dass ihrem Landesvorsitzenden vor kurzem allein die Drohung mit dem Rücktritt blieb.

Hier ist die Zeit stehen geblieben. Strukturfragen bleiben Machtfragen für die vier mächtigen Bezirke im Landesverband. Diese vier wollen die Machtzentren bleiben. Dabei verlieren sie Mitglieder, und die Wahlen verlaufen auch nicht mehr wie gewohnt: Die Kommunalwahl vor der CDU-Spendenaffäre war ein Reinfall, die Landtagswahl im Zeichen der Spendenaffäre kein strahlender Sieg. Zwei Mal ist die operativ notwendige Stärkung des Landesverbandes im vergangenen Jahr - mit neu eingerichtetem Landespräsidium und einem Landesgeneralsekretär - bereits gescheitert. Im März 2001 kommt der nächste Anlauf auf einem Landesparteitag.

Münteferings Drohung lässt jetzt keinen Ausweg mehr offen. Weiter bringt ihn und die SPD nur noch eine klare Entscheidung, und die wird so aufgeladen, dass sie im Effekt auch Müntefering in seiner Funktion als Generalsekretär der Bundespartei berührt. Denn während er in seiner Heimat kämpft, kommen auch die Reformen in der Bundespartei nicht voran. Da kann sich Müntefering keine weiteren Abstriche an seiner Reputation als Parteimanager leisten. Schon deshalb nicht, weil er - Typ traditioneller Sozialdemokrat - ja auch noch die Traditionalisten bei der SPD halten soll.

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