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Quotendebatte: Frauen, verwirklicht euch!

Harald Martenstein hat kein Problem mit einer Frauenquote im Beruf. Allerdings ist er sich nicht so sicher, dass ein Vorstandsposten überhaupt empfehlenswert ist - Kinder kriegen womöglich schon.

Gegen eine Frauenquote in Aufsichtsräten und Konzernvorständen habe ich nichts. Planwirtschaft ist immer super. Natürlich wird, wenn diese Quote erst einmal da ist, der Streit nicht zu Ende sein, im Gegenteil. Es gibt ja noch andere Gruppen, die in Aufsichtsräten unterrepräsentiert sind, zum Beispiel Migranten, außer den Schweizern und den Amis, aber das sind eher untypische Migranten. Ein logisches Argument gegen die Migrantenquote in Aufsichtsräten, als nächstem Schritt, fällt mir nicht ein. Und wieso gibt es keinen einzigen Konzernchef, der Rollstuhlfahrer ist? In diesem Thema steckt noch viel Musik drin.

Bei der Diskussion über Beruf und Familie erstaunt es mich allerdings, mit welcher Selbstverständlichkeit seit ein paar Jahren „Arbeit“ und „Selbstverwirklichung“ gleichgesetzt werden. Angeblich ist Selbstverwirklichung ohne Lohnarbeit nicht zu haben (Familienarbeit oder ehrenamtliche Arbeit sind keine Selbstverwirklichung). Für die meisten Arbeitenden hat ihre Arbeit in Wirklichkeit nicht allzu viel mit Selbstverwirklichung zu tun. Man arbeitet, um Geld zu verdienen, das ist meistens der Grund. Motiv Nummer zwei: Man kommt unter Leute, und der Tag kriegt eine Struktur. Die meisten hätten es trotzdem ganz gerne, wenn sie das Geld ohne Arbeit bekommen würden, denn das Reich der Freiheit befindet sich nicht im Großraumbüro. Deswegen wird so viel Lotto gespielt. Früher verwendete man häufig das Wort „Entfremdung“. Man arbeitet „entfremdet“, das heißt: Andere sagen, was man zu tun hat und was die Prioritäten sind. Natürlich kann man den Job trotzdem mögen. Und natürlich bin ich selber in einer privilegierten Position – Autoren sind so ziemlich die unentfremdetsten Berufstätigen. Aber wie repräsentativ ist das?

Man denkt, dass wenigstens die Konzernvorstände sich selbst verwirklichen. Aber die drei oder vier, mit denen ich in den letzten Jahren reden durfte, haben dies lebhaft bestritten. Es sei ein Leben voller Zwänge. Siebzig Stunden Arbeit pro Woche, ständig die Kapitaleigner und die Kunden im Nacken. Warum tut man so was? Die Ehrlichen sagen: Es ist ein geiles Gefühl, oben zu sein, und das liebe Geld spielt auch eine Rolle.

Wenn man sich selbst verwirklichen will, also über sein Leben frei verfügen und seine Vorlieben entfalten möchte, muss man es so machen wie Rainer Langhans. Man muss aus dem Karussell aussteigen und die finanziellen Bedürfnisse zurückfahren, man muss damit leben können, dass man nicht als wahnsinnig wichtig gilt. Wenn wir also demnächst 30 oder 50 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten haben, dann werden wir ein neues gesellschaftliches Phänomen kennenlernen, die desillusionierte Aussteigerin. Was werden die Aussteigerinnen tun? Kinder kriegen womöglich?

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