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Internationaler Frauentag: Luftballon-Aktion vor dem Brandenburger Tor.

© dpa

Frauentag 2013: Nichts ist erledigt

Sicher, von Gleichheit zwischen Männern und Frauen kann keine Rede sein. Doch diese Geschichte ist nur ein Schauplatz einer viel umfassenderen Erzählung: Der Gerechtigkeit.

Von Caroline Fetscher

Frau? Weib? Rippe Adams? Bürgerin? Citoyenne? Oder einfach Mensch? Wer sind „die Frauen“? Gibt es sie überhaupt noch? Und wie wichtig ist das? Wer oder was ist „die Frau“, die heute geehrt oder gefeiert werden soll, die Frau, der heute womöglich ein Mann Blumen schenkt, Rosen, Mimosen oder rote Nelken? Mehrere parallele Diskurse zirkulieren, wo es um Geschlecht und Recht, Geschlecht und Gleichberechtigung geht.

Als sich Clara Zetkin vor genau 100 Jahren am 8. März 1913 zum Weltfrauentag äußerte, schien die Sache klar. In der Zeitschrift „Die Gleichheit“ verwies sie auf die Lage der Frauen als Nebenwiderspruch im Spiel ungleich mächtigerer Kräfte: Im Hauptwiderspruch fand sich der Kapitalismus gegenüber dem Menschen, im Nebenwiderspruch des Kapitalismus fand sich die Lage der Frauen gegenüber Männern. Bei Zetkin klang das in der Sache so klar, wie es heute wohl niemand mehr formulieren würden: „Der Kapitalismus ist der Feind. Ein Feind für das Weib und auch für den Mann.“

Auf seine Weise war das ein monumentaler Satz. Inzwischen sind dem analytischen und historischen Anspruch dieser Aussage in einigen, vor allem intellektuellen Sphären die lebendigen Subjekte abhandengekommen, also „der Mann“ und „die Frau“ oder „das Weib“. Solche biologistischen Konstrukte hat die Geisteswissenschaft längst als ebendiese entlarvt. Auch Ehen zwischen Frau und Mann werden zunehmend zur Projektzone traditioneller, häufig religiöser Gruppen. Übrig geblieben von Zetkins Zitat ist jedoch „der Kapitalismus“. Noch, oder schon wieder, ist er der Feind.

Obwohl nun aber dekonstruiert wird, was das Zeug hält, „Mann“ und „Frau“ finden sich beharrlich in der Alltagssprache wieder. Beim Sport ist meist noch die Rede von „den Damen“ und „den Herren“. Redner bei kulturellen Versammlungen adressieren „meine Damen und Herren!“. Auch bei öffentlichen Aborten galt bis vor kurzem die binäre Aufspaltung in Geschlechter, die Berlins Stadtteil Kreuzberg jetzt, im Zuge der Gender-Diskurse durch Unisex-Toiletten für Transsexuelle zu erweitern sucht. Zetkin hätte das womöglich als Neben-Nebenwiderspruch abgehandelt. Als Frauen und Männer, nicht als Damen und Herren, firmieren die gemeinten Gruppen, wo es um so Krudes und Faktisches geht wie den Arbeitslohn oder Kriminalstatistiken.

Der Kapitalismus kann höchstwahrscheinlich auch prima ohne den Nebenwiderspruch funktionieren. Er könnte auch Menschen der Typen A bis Z ausbeuten, Leute, deren biologische, soziale Merkmale für ihn irrelevant sind. Er könnte. Aber er tut es – noch – nicht. Noch wirkt der Nebenwiderspruch mitten im munter expandierenden Kapitalismus weiter, in allen Sphären der Gegenwart, insbesondere in der Unterhaltungsindustrie.

Armselig wirken die Altherrensprüche des Politikers, der seinem weiblichen Gegenüber in der Fantasie ein Dirndl anpasste, vergleicht man sie mit allerhand anderem, was Millionen Medienkonsumenten alltäglich angedient wird. Zum Beispiel in der Doku-Soap „Der Bachelor“, worin sich eine Riege von Laiendarstellerinnen dem postmodernen Paris-Urteil eines Junggesellen stellt, der von Mal zu Mal mehr „Mädchen“ aussortiert. Ob es um Quoten in Dax-Vorständen geht, oder um Mädchen, denen traditionelle Familien die Bildung verwehren, dasselbe Lied des Nebenwiderspruchs ist zu hören. Damen, Herren, Männer, Frauen: Nichts ist erledigt. So wenig erledigt wie der Kapitalismus. Gemeinsamer Nenner aller Anliegen bleibt: die Gerechtigkeit.

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