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GASTBEITRAG: Die CDU muss uns wieder fürchten!

Am Wochenende tagen die Sozialausschüsse der Bundes-CDU. Für den Tagesspiegel hat der frühere Bundesarbeitsminister einen fiktiven Brief an die christdemokratischen Arbeitnehmer geschrieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Glück auf! Der Wahlkampf kommt – wir werden mitkämpfen. Aber wie geht es weiter nach der Bundestagswahl? Das globale Ökonomie-Desaster wird nicht am 27. September 2009 beendet sein. Manche suchen den Ausweg aus der Krise auf dem Rückweg. Aber auf dem Weg, auf dem wir abgerutscht sind, dürfen wir nicht zurückklettern. Die Karten werden neu gemischt. Das Geldspiel ist zu Ende. Die Illusion, dass „Geld arbeitet“, ist geplatzt wie die Finanzblasen, die den Weg der Weltwirtschaft markieren.

Der Kapitalismus wird nur überleben, wenn er sich mit Arbeit verbündet. Kapital wird sich wieder mit Eigentum anfreunden müssen, sich also mit Risiko verknüpfen und an Leistung binden. Der Weg dorthin führt über die christlich-soziale Idee: Eigentum für alle. Das ist die Stunde der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft.

Unsere Bündnispartner sind dabei nicht die Investmentbanker, Pensionsfonds, Börsenfreaks und verwandte Geldzauberer, sondern Mittelstand und Handwerk. Deren Interessen sind nicht bei der Deutschen Bank oder bei Allianz & Co. gut aufgehoben, sondern eher bei und mit uns, den Arbeitnehmern.

Für den Investitionslohn müssen freilich auch die Gewerkschaften den Hintern hochkriegen, wenn Eigentum in Arbeitnehmerhand mehr sein soll als ein bisschen Sparförderungsgeklingel. Ohne Investitionslohn oder Ertragsbeteiligung als Bestandteil der tariflichen Lohnpolitik bleibt das Ganze ein Spielzeug für Vermögensbildungsliebhaber.

Nach der Bundestagswahl, so fürchte ich, wird wieder die „kapitalgedeckte Privatisierung“ des Sozialstaates im Angebot stehen. Krankenversicherung, Pflegeversicherung und alles, was sozialpolitisch Hand und Fuß hat, soll der Versicherungswirtschaft zum Fraß vorgeworfen werden. Das ist schließlich ein Bombengeschäft. Die Versuchung, aus dem alten Sozialstaat auszusteigen, wird mit großen Verlockungen verbunden sein. Eine davon ist der Ratschlag, der Sozialstaat soll sich auf die Bedingungen beschränken. Das hört sich gutmütig an, ist aber ein Trick, mit dem die Gerechtigkeit aus dem Sozialstaat herauskomplimentiert wird. Wir landen dann beim Bedarf prüfenden Fürsorgestaat. Das ist ein Nachfahre des alten Obrigkeitsstaates. Diesmal in der Maske der Wohlfahrt.

Perfektioniert wird dieses Angebot durch die überraschende Koalition von Verstaatlichern und Privatisierern. Sie sind wechselseitig aufeinander angewiesen. Für Armutsbekämpfung interessieren sich die Privatisierer nicht. Armut ist kein Geschäft für sie. Das überlassen die Neoliberalen dem Staat. Die Verstaatlicher auf der anderen Seite benötigen die Privatisierer, denn die Verstaatlicher können das Problem einer relativen Sicherung des erarbeiteten Lebensstandards in den Wechselfällen des Lebens nicht lösen. Also wäscht die eine Hand die andere, und dazwischen wird die subsidiäre Solidarität zerrieben.

Kapital oder Arbeit? Das ist die Frage! Was hat Vorrang? Nach Überzeugung der christlichen Soziallehre jedenfalls die Arbeit. Sie ist ein personaler Wert. Das Kapital dagegen nur ein instrumentaler. Die Arbeit, die im Zentrum der Gesellschaft steht, wird freilich ihr Gesicht verändern. Arbeit wird sehr viel stärker durch Bildung fundiert werden. Bildung ist die modernste Vermögensform, so wie in Zukunft Innovation mehr über die Wertschöpfung entscheidet als Kapitaleinsatz.

Noch ein Ratschlag zum Schluss: Die CDU muss ihre Sozialausschüsse wieder „fürchten“, damit sie diese „lieben“ kann. Unsere Stärke lag nie im Gewicht der Mitgliederzahl, sondern in der Beweglichkeit einer kleinen Gruppe, die vor dem Tross herzog.

Man muss nicht immer in der CDU siegen, um zu gewinnen. In Leipzig hat die CDU mitgesiegt, aber nicht gewonnen. Man kann aus Erfahrung lernen und aus Schaden klug werden. Kann man? Ja, man kann!

Der Autor war von 1982 bis 1998 Bundesarbeitsminister.

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