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Kampfpanzer Leopard.

© dpa

Gastbeitrag: Rüstungsexporte sind Hilfe zur Selbsthilfe

Waffen in Krisengebiete zu verkaufen, ist höchst umstritten. Dabei sind Rüstungsexporte Ausdruck einer neuen pragmatischen Sicherheitspolitik.

Rüstungsexporte in Krisenregionen? Heftig wird die Bundesregierung derzeit attackiert. Dabei vollzieht sie einen Schwenk, der zumindest in einem Punkt auf große Zustimmung in der Bevölkerung stoßen dürfte: Nach den ernüchternden Erfahrungen der Bundeswehr in Afghanistan sollen nur noch möglichst selten deutsche Soldaten in fremde Konfliktgebiete entsandt werden. Ein erster Testfall dieser neuen deutschen Sicherheitspolitik war der Bürgerkrieg in Libyen.

Wie kann Deutschland dennoch politisch Einfluss in Krisengebieten nehmen? Um sich nicht auf humanitäre und wirtschaftliche Hilfe zu beschränken, will die Bundesregierung ihr Arsenal an Handlungsmöglichkeiten um eine Waffe erweitern – und das im wahrsten Sinne des Wortes: Waffenexporte sollen stärker als in der Vergangenheit zu einem Instrument deutscher Außenpolitik werden. Intoniert hat Bundeskanzlerin Angela Merkel diesen politischen Schwenk bereits im vergangenen September. In einer Rede bei der Körber-Stiftung wies sie darauf hin, dass der Westen zwar nicht mehr in jeden Konflikt eingreifen könne und wolle. Aber Staaten, die dies wollten, müssten dazu befähigt werden. Und das schließt für die Bundeskanzlerin den Export von Waffen mit ein – „nach klaren und weithin anerkannten Prinzipien“.

Wie zukunftsweisend diese Aussage sein dürfte, zeigt nicht zuletzt ein Blick auf die rund 17 Milliarden Euro, die der Bundeswehreinsatz in Afghanistan nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bisher gekostet hat. Waffenlieferungen an verbündete Konfliktparteien als Ersatz für Kampfeinsätze deutscher Soldaten schonen hingegen nicht nur den überschuldeten Bundeshaushalt, sondern vor allem eigene Menschenleben. Doch ist eine solche Sichtweise nicht zynisch? Vielleicht sollten die Kritiker der neuen deutschen Sicherheitspolitik einmal die Bittsteller westlicher Waffenlieferungen befragen: Wie bereits in Libyen rufen auch in Syrien die Oppositionsgruppen nicht nach einer Militärintervention des Westens mit Bodentruppen. Vielmehr möchten sie ihren Feldzug gegen Assads Regime selbst zum Erfolg führen und bitten dazu um moderne Abwehrwaffen gegen die Panzer, Flugzeuge und Hubschrauber der syrischen Regierungstruppen. Allenfalls Unterstützung aus der Luft ist vom Westen willkommen – zur Einrichtung von Sicherheitszonen für Zivilisten und zur Sicherung von Operationsbasen der Opposition in Syrien.

Was sich aus dem Afghanistan-Krieg lernen lässt

Gegenüber einer solchen Strategie wenden kritische Stimmen ein, dass sie Stellvertreterkriege wie im Kalten Krieg hervorrufe – mit oftmals für den Westen desaströsen Folgen. Als Beispiel hierfür wird dann meist auf Afghanistan verwiesen, wo Waffenlieferungen an die Gegner der Sowjets zugleich Kräfte gestärkt hätten, die heute im Konflikt mit dem Westen stünden. Dies trifft zwar weitgehend zu, doch stellt sich die Frage, ob es nicht ein viel größerer Fehler war, die Strategie der Stellvertreterkriege nach dem 11. September 2001 zugunsten einer direkten Intervention westlicher Truppen zu beenden.

So beschränkten die Vereinigten Staaten zu Beginn ihres „Kriegs gegen den Terror“ die Operationen gegen Taliban und Al Qaida auf den Einsatz von Luftstreitkräften und Spezialeinheiten. Den Krieg am Boden führte 2001 die Nordallianz in Afghanistan. Erst dann begann die Stationierung von größeren Verbänden westlicher Infanterie – rückblickend eine strategische Fehlentscheidung. Das ursprüngliche Ziel nach 9/11, Afghanistan den islamistischen Terrorgruppen als Rückzugsraum zu nehmen, war bereits erreicht worden. Die Nordallianz und weitere verbündete Afghanen hätten ein Land aufbauen können, das zwar nicht einer Westminister-Demokratie geglichen, aber zumindest keine Bedrohung für den Westen dargestellt hätte. Heute, elf Jahre später, haben UN und Nato am Hindukusch ebenfalls nicht viel mehr erreicht – und zu welch einem Preis an Menschenleben und finanziellen Mitteln! Aus Afghanistan zu lernen, könnte daher für die vom Westen unterstützte Opposition Syriens bedeuten, siegen zu lernen.

Der Autor lehrt am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn.

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