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Vom Doktor zum Kaiser - Pro-Guttenberg-Demonstranten in Berlin.

© dapd

Gastkommentar: Adels- und Doktortitel erhöhen ihre Träger – zu Unrecht

Die Hochschätzung von Wissen ist einige Jahrhunderte alt, die Überhebung des Adels so alt wie die Menschheit. Doch der Dr. vor dem Namen bedeutet nicht mehr als der Puschel auf dem Helm. Ein Gastkommentar.

Schadenfreude ist die Empfindung, die das düstere Ritual des großen Zapfenstreichs am heutigen Donnerstag aufhellt, und wer Sinn für Ironie hat, kommt auf seine Kosten: „Rechts um kehrt!“ und „Helm ab zum Gebet!“ stehen in der Tradition alter Würden und Weihen – mit der Verabschiedung Guttenbergs aber wird der Versuch, zu diesen Würden zurückzukehren, zum Teufel gejagt.

Der Zapfenstreich wurde 1813 eingeführt, als Napoleon und mit ihm die Ideen von Freiheit und Gleichheit aus Deutschland vertrieben wurde. Das Ritual kam aus dem zaristischen Russland – mit dem sich Preußen zu einem politisch-religiösen Rückwärtskurs verbunden hatte. Insofern passt das Ritual zu Guttenberg, der als Ikone für die Restauration steht.

Schon in seinem Bemühen, einerseits die traditionelle Adelsüberlegenheit zu verkörpern und sich andererseits mit dem Doktortitel zu schmücken, lag ein Widerspruch. Denn diese Überlegenheit kam traditionell darin zum Ausdruck, dass sich Adlige nicht um akademische Würden bemüht haben. In ihrem Hierarchiebewusstsein war die Promotion kein Avancement. Im Gegenteil: Man war stolz darauf, dass man keine Klugheit zur Schau stellen musste.

Die Hochschätzung von Wissen und Bildung ist eine relativ neue Erscheinung: Sie ist höchstens einige Jahrhunderte alt, während die Überhebung der Adelskasten so alt ist wie die Menschheit. Die Doktores und Magister standen in den Diensten der Adligen; diese wiederum strebten keineswegs danach, Teil der akademischen Welt zu sein. Im Theater, in der Oper (wie in „Figaros Hochzeit“) kann man noch sehen, dass der Advokat in der Hofgesellschaft eher eine lächerliche Figur abgab.

Bis ins 20. Jahrhundert hinein reichte die vornehme Geringschätzung des Akademikers. Da war sie dann allerdings nicht mehr zeitgemäß: Im „Simplicissimus“ wurde der Prototyp des schnarrenden Adligen verspottet, der sich über die „Jehirnfatzkes“ erhob – die Klugen und Promovierten.

Umgekehrt machte sich das aufgestiegene Bürgertum damals über den ungebildeten Adel lustig. „,Bon’, sagte der Graf, denn er sprach ausgezeichnet französisch“, hieß es. Der Wettkampf der Eliten schien sich zugunsten der gebildeten Schichten entschieden zu haben. Bis Leute wie Guttenberg kamen und sagten: Es geht auch beides! Und die Vorteile der traditionellen so wie die der neuen Welt in Anspruch nahmen.

Wer Rangordnungen nicht mag, in denen die Menschen nicht als Gleiche nebeneinander, sondern übereinander gestaffelt stehen, dem genügt es allerdings nicht, sich bei Guttenbergs Verabschiedung der Schadenfreude hinzugeben. Dann muss man sich klarmachen, dass auch die ehrlich erworbene Promotion ihren Träger – ebenso wie der Adelstitel – in einer Weise erhöht, die unter dem Gleichheitsgrundsatz veraltet und lächerlich ist. Ob Menschen durch Buchstaben, die vor ihrem Namen stehen oder in ihren Namen eingefügt sind, als erhöht erscheinen – in beiden Fällen liegt Unrecht vor.

Die Anerkennung, die die Promotion verleiht, ist keine gerechte Belohnung für eine wichtige Leistung; die beiden Buchstaben vor dem Namen bedeuten nicht mehr als der Puschel auf dem Helm, durch den in alten Zeiten Würdenträger gekennzeichnet waren.

Nicht nur erschlichene Promotionen unterliegen dieser Abwertung. Doktorväter und -mütter müssen zugeben, dass sie die umfangreichen und langweiligen Dissertationen ihrer Doktoranden im Normalfall gar nicht lesen und ihre Gutachten anhand der Inhaltsverzeichnisse anfertigen.

Wie ärmlich wirkt eine Dissertation, die meistens niemanden interessiert und niemandem nützt, im Vergleich zu den Leistungen, die in anderen Teilen der Gesellschaft erbracht werden! Da werden Brücken gebaut, Rosengärten angelegt und Romane geschrieben, ohne dass der Name ihrer Urheber jemals an diese Leistung erinnern würde – während die folgenlose Beschriftung eines Papierhaufens noch auf dem Grabstein ihres Urhebers gerühmt wird.

Die Autorin ist Juristin und unterrichtet an der Uni Potsdam.

Sibylle Tönnies

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