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Die US-Behörde FCC hat die Netzneutralität gestärkt.

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Netzneutralität: Gefahr für die Leitungen des Lebens

Was ist das Netz: Irgendeine Informationsplattform oder gehört es zur Daseinsvorsorge? Diese Frage muss auch der Staat beantworten, wenn er mitreden will. Es geht um die Grundlagen des neodigitalen Zeitalters. Ein Kommentar.

Damon Albarn ist in erster Linie ein guter Musiker. Aber auch ein kluger Kopf. In seinem Album „Everyday Robots“ beklagt er die digitale Durchdringung unseres Alltags und die Präsenz des Smartphones, das Menschen zu Robotern mache. In einem Interview sprach er kürzlich davon, dass man sich längst im „neodigitalen“ Zeitalter befände, in der nicht mehr die Euphorie über die Technologie vorherrsche, sondern die Fragen dazu.

Und eine der zentralen Fragen lautet: Was ist das Netz eigentlich? Ist es nur eine Informationsplattform wie jede andere oder gehört es zur Daseinsvorsorge? Antworten darauf sind nicht nur für Netzphilosophen interessant, sondern haben harte politische Folgen. Denn die Aufregung um die Zukunft der sogenannten Netzneutralität ist genau damit verbunden. Die US-Regulierungsbehörde FCC will jetzt Dienstanbietern wie beispielsweise Google, Disney oder auch großen Videostreaming-Portalen wie Netflix die Möglichkeit geben, einzelne Verträge abzuschließen, um so zu gewährleisten, dass deren Produkte schnell durch die Leitungen zum Endkunden kommen. Auch wenn die FCC-Leitung es vehement bestreitet, wäre dieser Vorgang ein gravierender Bruch der bisherigen Spielregel, alle Datenpakete gleich zu behandeln. Aber ist das schlimm? Oder ist es nicht sogar notwendig?

Die Kapazitäten werden immer knapper

Tatsache ist, dass die Datenmengen rasant steigen, die Kapazitäten immer knapper und schon jetzt Daten nicht gleich behandelt werden, weil sonst jedes Youtube-Video ruckeln würde. Darauf aber mit Reglementierung, Diskriminierung und Einzelverträgen für finanzstarke Unternehmen zu reagieren, wäre der falsche Weg. Es würde die Innovationskraft des Netzes hemmen. Gleichwohl müssen Konzerne, die die Infrastruktur aufbauen, ihre Kosten reinholen. Es muss möglich sein, unterschiedliche Verträge für den Endkunden anzubieten. Auch ist es denkbar, bestimmten Diensten wie Videoportalen oder Videotelefonie Vorzug zu gewähren. Aber eben allen – und nicht einzelnen.

Der Staat muss sich beim Netzausbau engagieren - dann kann er auch Regeln mitbestimmen

Dahinter steht die Notwendigkeit, die Infrastruktur auszubauen. Und das sollte der Staat nicht allein der Privatwirtschaft überlassen. Denn das Netz ist längst ein Ort der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen – mit all seinen Chancen und Risiken. Wer kein schnelles Netz zur Verfügung hat, wird abgekoppelt. Die Leitungen sind Teil der Daseinsvorsorge, an der sich der Staat angemessen beteiligen sollte. Dann kann er auch die Regeln mitbestimmen und sich für die Netzneutralität einsetzen.

Ob die große Koalition, allen voran Digitalminister Alexander Dobrindt, diesen Weg gehen wird, ist noch offen. Er wird sich entscheiden müssen, ob er schnelle Netze will und Netzneutralität – oder nur schnelle Leitungen und eine digitale Zwei-Klassen-Gesellschaft. Es geht um die Grundlagen des neodigitalen Zeitalters: Wer kein gutes Netz hat, kann es auch nicht gestalten.

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