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Meinung: Gefahr im Verzug

„Deutscher Konsens“ - Leitartikel von Malte Lehming vom 19. September Malte Lehming meint, da Rot-Grün damals keinen Sofortausstieg, sondern nur ein langsames Auslaufen der Atomkraft mit den Energiekonzernen vereinbart hätte, sei es jetzt auch nicht so schlimm, wenn man die Atomkraftwerke (und zwar alte und neue!

„Deutscher Konsens“ - Leitartikel von Malte Lehming vom 19. September

Malte Lehming meint, da Rot-Grün damals keinen Sofortausstieg, sondern nur ein langsames Auslaufen der Atomkraft mit den Energiekonzernen vereinbart hätte, sei es jetzt auch nicht so schlimm, wenn man die Atomkraftwerke (und zwar alte und neue!) noch einige Jahre länger laufen lasse als im Atomkonsens beschlossen. Glaubt er im Ernst, ein Sofortausstieg wäre durchsetzbar gewesen? Schließlich hatten die Grünen, namentlich Umweltminister Trittin, in dieser Frage nicht nur gegen die Atomwirtschaft, sondern auch gegen Kanzler Schröder zu kämpfen. Was am Ende herauskam, war nicht das Optimum, aber das politisch maximal Erreichbare. Schließlich ist die vereinbarte Laufzeit der AKW deutlich kürzer als die von den Konzernen angestrebte. Lehming fragt weiter, warum ein Gau-Risiko 20 Jahre lang erträglich sei soll, nicht aber 30 oder 40 Jahre. Nun, Risiken werden eben in Wahrscheinlichkeiten angegeben, und wenn ein Risiko mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit pro Jahr auftritt, vergrößert jedes weitere Jahr Laufzeit das Risiko. Zusätzlich steigt das Unfallrisiko bei älteren Anlagen. Der Skandal ist, dass die Regierung die alten Anlagen (inklusive Brunsbüttel und Krümmel!) ohne Verbesserungen bei der Sicherheit acht weitere Jahre laufen lassen will. Dabei wurden Nachrüstungen bei diesen AKW in den letzten Jahren unterlassen, weil sie kurz vor dem Ende ihrer Betriebszeit stehen würden oder diese – wie Neckarwestheim 1 – schon erreicht haben. Die längere Nutzung der AKW bringt zusätzlich vermeidbare Gefahren mit sich und verhindert den notwendigen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Atom- (und Kohle)-Kraftwerke lassen sich im Gegensatz zu Gaskraftwerken nicht flexibel genug regeln, wenn vorübergehend viel Windstrom ins Netz eingespeist wird. Das führt heute schon häufig zu Stromüberschüssen. In den letzten Jahren exportieren wir mehr Strom als wir importieren, obwohl Brunsbüttel und Krümmel seit Jahren nichts produzieren und andere AKW mit stark gedrosselter Leistung gefahren werden. Also wozu die längere Nutzung der AKW? Die Prognose, der weltweite Bestand an Atomkraftwerken sei innerhalb von 20 Jahren zu verdoppeln, ist Wunschdenken der Lobbyisten.

Das würde bedeuten, dass bis dahin pro Jahr 22 Atomkraftwerke mehr ans Netz gehen müssten als gleichzeitig vom Netz gehen. Aktuell werden jährlich mehr AKW abgeschaltet als neu dazukommen. Und man muss nur mal den Neubau in Finnland betrachten, um zu sehen, wie zäh das vonstatten geht und wie die Anlagen von Monat zu Monat teurer werden.

Dr. Eduard Belotti, Augsburg

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