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Meinung: Gefangen in Brandenburg

Misshandlungen in der Strafanstalt – ein Teil der alltäglichen Gewalt

Von Frank Jansen

Mit dem Wort „Skandal“ sollte man vorsichtig umgehen. Es sieht jedoch so aus, als sei dieser Begriff eine passende Bewertung der Vorfälle im Gefängnis von Brandenburg an der Havel. Da wird einem herzkranken Häftling, der einen schweren Infarkt erleidet, eine ganze Nacht lang die medizinische Hilfe verweigert. Er sei sogar nach seinem Hilferuf von einem maskierten Wärtertrupp geschlagen worden, sagt der Mann. Dass er überlebt hat, ist ein Wunder – und ein Glück nicht nur für ihn selbst, sondern auch für das Anstaltspersonal und für Brandenburgs Justizministerium Barbara Richstein. Wäre der Häftling gestorben, müsste die CDU-Politikerin die politische Verantwortung für einen fahrlässig herbeigeführten Totschlag tragen.

Der Skandal erscheint allerdings auch ohne Todesfolge so gravierend, dass ein Verbleib der Ministerin im Amt nur schwer zu rechtfertigen ist. Richstein hat offenbar erst vor kurzem erfahren, was dem Häftling im Januar widerfuhr – und dass die Staatsanwaltschaft seit Anfang März ermittelt. Außerdem gibt es schon länger Vorwürfe von Häftlingen, die über prügelnde Wärter berichten. Entweder hat die Minsterin ihr Haus nicht im Griff, oder es wurde versucht, üble Geschichten zu vertuschen. Vielleicht geschah auch beides. Richstein wird in den nächsten Wochen noch viel erklären müssen. Gleichzeitig naht der Landtagswahlkampf. Die Situation ist auch für den brandenburgischen CDU-Chef und Landesinnenminister Jörg Schönbohm ziemlich unangenehm.

Ein Vergleich mit den Verhältnissen im Irak, wie er vereinzelt in der Landes-SPD zu hören ist, erscheint allerdings unangebracht. Was die amerikanischen Soldaten den Gefangenen angetan haben, wirkt deutlich brutaler als die bekannten und behaupteten Vorfälle in der Stadt Brandenburg. Die Vokabel „Irak“ vernebelt auch den Blick auf die eigentliche Misere im Lande: Selbst 14 Jahre nach der Wende ist die Zivilgesellschaft bisweilen kaum mehr als eine Illusion.

Das Bild roher Gefängniswärter passt leider nur zu gut zu dem Dauerskandal der Gewalttaten junger Rechtsextremisten und der feindseligen Haltung in weiten Teilen der Bevölkerung gegenüber allem, was fremd erscheint. Diesem Mangel an Mitgefühl, manchmal auch an zivilen Umgangsformen überhaupt, müssten die demokratischen Politiker stärker entgegenwirken. Das ist unpopulär, aber dringend notwendig. Vielleicht öffnet der Gefängnisskandal die Augen.

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