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Tag der Arbeit am 1. Mai: Geld und Solidarität für Europa

Am 1. Mai werden die Gewerkschaften gerechte Löhne und soziale Sicherheit fordern. Die muss es aber nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa geben. Und nach den feierlichen Tönen am Tag der Arbeit wird eine Art europäischer Super-Gewerkschaft entstehen.

Hoch die internationale Solidarität! Das skandieren Gewerkschafter immer gern, in diesem Jahr ganz besonders. Das Wetter ist schön und das Bier schmeckt, wenn Michael Sommer und die übrigen Spitzenkräfte der deutschen Arbeitnehmerschaft am 1. Mai die Solidarität mit südeuropäischen Krisenländern ausrufen. Gerechte Löhne und soziale Sicherheit für Europa reklamiert der DGB. Aber wie kommt man da hin? Sommer und andere Gewerkschafter schlagen vor, „dass sich die EU zu einer Transferunion weiterentwickelt“. Der deutsche Arbeitnehmer finanziert aus Solidarität die Sanierung Griechenlands und Spaniens? Dann doch lieber als Urlauber demnächst in einer Taverne am Mittelmeer für Europa essen und trinken.

Nicht Europa treibt die Leute vor die Werkstore, sondern 6,5 Prozent. In dieser Höhe will die IG Metall einen Tarifabschluss durchsetzen, dazu eine Übernahmepflicht für Azubis und die Besserstellung von Leiharbeitern. Um die Kompromissfähigkeit der Arbeitgeber zu fördern, werden Zehntausende in den nächsten Tagen per Warnstreik Selbstbewusstsein und Kampfkraft der IG Metall demonstrieren. Am Ende wird es in der prosperierenden Metallindustrie mindestens vier Prozent mehr Geld geben. Immerhin schloss bereits Verdi im klammen öffentlichen Dienst mit 3,5 Prozent recht gut ab.

Allzu oft wird der Tag der Arbeit zum Tag der Krawalle - klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie für einen Rückblick

Die Zeit ist reif für mehr Geld. Weil der Aufschwung nach dem Rezessionsjahr 2009 viel früher als erwartet zurückkam und die Gewinne der Firmen viel schneller gewachsen sind als die Gehälter. Weil in den vergangenen zehn Jahren die Arbeitskosten in keinem anderen EU-Land so schwach gestiegen sind wie in der Bundesrepublik. Und weil die Gewerkschaften ihre 20 Jahre währende Schwächephase überwunden haben. Der Mitgliederschwund ist gestoppt, das Image wandelt sich vor allem bei jungen Leuten, von denen sich immer mehr den vermeintlichen Dinosauriern anschließen. Wer auch sonst sollte anständige Arbeitsbedingungen durchsetzen? Die Piraten?

Über Jahre haben die Gewerkschaften Missstände in der Leiharbeit thematisiert und die Notwendigkeit eines Mindestlohns gepredigt. Es hat gewirkt. Die Arbeitgeber wollen inzwischen gleiches Geld für gleiche Arbeit zahlen, und die CDU tapst Richtung Mindestlohn. Billig passt nicht zum Wirtschaftsstandort Deutschland. Der CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt hat das kapiert; Reiner Haseloff fordert Arbeitgeber auf, Verbänden beizutreten, und Arbeitnehmer, sich einer Gewerkschaft anzuschließen. Damit sich starke Sozialpartner auf beidseitig verträgliche und attraktive Bedingungen verständigen mögen. So wie im Süden der Republik, wo es die meisten Gewerkschaftsmitglieder gibt, die besten Gehälter und die erfolgreichsten Firmen.

Gute Arbeit ist wieder mehr wert, auch wegen der Demografie und des Fachkräftemangels. Die Organisation altersgerechten Arbeitens – kurz gesagt: Junge und Gesunde arbeiten länger, Ältere und stark Belastete kürzer – wird in den nächsten Jahren ein Thema der Gewerkschaften werden. Und natürlich auch Europa, nach den feierlichen Tönen des 1. Mai. In zwei Wochen schließen sich drei europäische Gewerkschaftsbünde in Brüssel zu einer EU-übergreifenden Organisation mit 230 Gewerkschaften zusammen, um die Lobbyarbeit zu verbessern. Die Führung der neuen „Internationale“ übernehmen Funktionäre von IG Metall und IG Chemie, weil die deutschen in dem neuen Verbund mit Abstand die stärksten Gewerkschaften sind.

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