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Wirtschaftssanktionen gegen Russland - wen trifft es härter?

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Geldwäsche und Diktatoren: Was sind Europas Gesetze wert?

Demaskiert: Wie schon im Fall Mubarak oder Ben Ali ist mit dem Sturz des ukrainischen Kleptokraten Janukowitsch peinlich deutlich geworden, dass Europas Gesetze zur Bekämpfung der Geldwäsche nichts bringen. Trotzdem sperrt sich Finanzminister Schäuble gegen die nötige Reform.

Als alles zu spät war, sollte es schnell gehen. Am 5. März, elf Tage nach der Flucht des gestürzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, hielten es die Finanzminister der EU doch noch für angebracht, ihm und seinen Komplizen „ab sofort“ die Konten in Europa zu sperren und ihre Besitztümer zu beschlagnahmen. 37 Milliarden Euro, zwei Drittel eines Jahresbudgets der Ukraine, seien aus der Staatskasse während Janukowitschs Amtszeit gestohlen worden, hatte die Übergangsregierung enthüllt.

Gleichzeitig kam heraus, welche Reichtümer der Ex-Präsident und sein Gefolge angehäuft hatten. Allein Sohn Alexander, eigentlich Zahnarzt, soll es über krumme Geschäfte mit dem Staat zu rund einer halben Milliarde Euro gebracht haben, die er über Firmen in Österreich, Großbritannien und der Schweiz verwalten ließ. Genauso hielten es der Innen- und der Justizminister sowie mindestens 14 weitere Komplizen.

Dumm nur, dass auf den bekannten Konten der Räuber kaum noch etwas zu holen ist. Nicht nur vergaßen die EU-Dilettanten die Namen der Ehefrauen all jener Janukowitsch-Freunde auf die Liste der Personen zu setzen, deren Besitz „eingefroren“ werden sollte. Zudem hatten diese wochenlang Zeit, ihre Beute in neue Verstecke zu verschieben.

So wird einmal mehr, wie schon im Fall Mubarak (Ägypten) oder Ben Ali (Tunesien), mit dem Sturz eines Kleptokraten peinlich deutlich, was Europas Gesetze zur Bekämpfung der Geldwäsche wert sind: nichts. Eigentlich ist es europaweit einschließlich der Schweiz Vorschrift, dass Banken, Anwälte und Treuhänder wissen müssen, wer die Begünstigten der Unternehmen sind, für die sie Konten und Geschäfte führen.

Ist die Sorgfaltspflicht noch aktuell?

Und wann immer es den Verdacht auf einen illegalen Erwerb der Gelder gibt, müssen sie das den Behörden mitteilen, die sodann die Vermögen gegebenenfalls beschlagnahmen sollen. Für „politisch exponierte Personen“, also die Inhaber öffentlicher Ämter und deren Verwandte, gilt sogar eine „verstärkte Sorgfaltspflicht“.

30 Milliarden Dollar werden gebraucht, so viel wurde gestohlen

Praktische Folgen hat das nie, jedenfalls wenn es um große Beträge und mächtige Leute geht. Denn natürlich würde das die Beziehungen zu den betroffenen Staaten stören. Und es wäre mies für die Finanzbranche. Schließlich fließen den Wohlstandsstaaten der OECD jährlich rund 700 Milliarden Dollar illegal erworbene Fluchtgelder aus den Entwicklungs- und Schwellenländern zu, fünfmal mehr, als umgekehrt für Entwicklungshilfe fließt. Dieses schmutzige Geschäft zu tolerieren, war schon immer kontraproduktiv. Aber selten war das so augenfällig wie im Fall Ukraine. Denn die Revolutionäre benötigen nun eben die 30 Milliarden Dollar an Notkrediten, die zuvor gestohlen wurden.

Das sollte ein ausreichend teurer Anlass sein, endlich ernst zu machen mit der Geldwäschebekämpfung. Und die Verantwortlichen wissen, was zu tun ist. Schließlich hat die OECD erst im Dezember das Kontrollregime geprüft – mit vernichtendem Ergebnis. Demnach hält keines der 34 Mitgliedsländer die selbst beschlossenen Regeln ein. Am schwersten wiegt, dass nirgendwo geprüft wird, wer tatsächlich die „wirtschaftlich Berechtigten“ hinter den Firmen sind, für die Konten geführt werden. Notwendig wäre deshalb die EU-weite Einrichtung von Unternehmensregistern, wo für jede GmbH, AG oder KG die tatsächlichen Eigentümer und Gewinnberechtigten dokumentiert sind. Und genau das haben die G-8-Staaten im Juni 2013 auch versprochen.

Keiner hält die Regeln, weder Länder noch Banken

Doch seitdem ist in der EU nichts passiert. Schuld daran ist aber nicht etwa Großbritannien, das Mutterland aller Geldwäscher. Cameron hat sogar versprochen, das Vorhaben auch auf den Kanalinseln und in der Karibik durchzusetzen. Nein, es war Finanzminister Wolfgang Schäuble, der im EU-Ministerrat sein Veto einlegen ließ und so eine Mehrheit verhinderte. Die Begründung lautet, ein solches Register erlaube es den Banken, sich vor ihren Prüfpflichten zu drücken. Eine absurde Verdrehung: An den Pflichten der Banken würde sich gar nichts ändern.

Europarlament stimmt für die Registerpflicht

Die Vermutung, es gehe in Wahrheit darum, den Superreichen weiterhin zu erlauben, ihren Besitz vor der Öffentlichkeit zu verstecken, ist natürlich eine böse Unterstellung. Aber Schäuble hat bald Gelegenheit, derlei Verschwörungstheorie zu widerlegen. Mit breiter Mehrheit votierte das Europaparlament jüngst für die Registerpflicht. Nun müssen Parlament und Rat verhandeln. Dabei sollten die Abgeordneten auf die Ukraine verweisen. Aus Schaden wird man klug, heißt es.

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