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Generationenkonflikt: Doppelte Schuld

Die Neuverschuldung des Bundes liefert brutale Erkenntnisse. Diese Schulden wird keiner mehr abzahlen können. Doch es ist nicht allein die Schuldenlast, die kommenden Generationen zu schaffen macht.

Brutal sind nicht die Zahlen, sondern die Erkenntnisse, die sie liefern. 80 Milliarden Euro neue Schulden in diesem Jahr. Das macht rund 1,8 Billionen Schulden insgesamt. Jeder fünfte Euro, den der Bund einnimmt, geht für Zinsen drauf. Seit Generationen werden die Schulden vererbt – immer in der Hoffnung, die nächsten werden es zahlen. Das Problem ist nur: Zahlen sind ins Unendliche belastbar, Gesellschaften nicht.

Was die zusammenhält, ist auch ein Konsens zwischen Jung und Alt. Ist Solidarität. Dazu gehört vor allem Ehrlichkeit. Diese Schulden wird keiner mehr abzahlen können. Doch es ist nicht allein die Schuldenlast, die kommenden Generationen zu schaffen macht. Es ist die Moral der Geschichte. Die wiegt schwer, faktisch und emotional. Faktisch wird der Gestaltungsspielraum immer enger. Geld wird mehr und mehr für Zinsen, Schuldentilgung, Pensionen und Renten ausgegeben werden müssen. Der Druck auf die Sozialkassen wächst. Risikoabwehr wird für Staaten in einer vernetzten, globalisierten Welt nicht nur immer wichtiger, sondern auch immer häufiger notwendig – siehe Finanzkrise, Griechenland und Terrorabwehr. Deutschland wird sich dem nicht entziehen können. Das kostet Geld; Geld, das selten eingeplant ist.

Das alles kann man beklagen. Doch, und vielleicht ist das ein Wendepunkt in der Schulden-Erbfolge, die Generation 30 plus-minus x hat sich damit auf eine gewisse Art abgefunden. Ja, pure Vernunft darf niemals siegen, haben Tocotronic, eine Band dieser Altersgruppe, einmal gesungen. Und das tut sie auch nicht. Aber die Erwartung an den Staat ist eine andere. Bisher mag man sich den Kopf zerbrechen über sichere Renten, eine volle Krankenkassenversorgung, ordentliche Absicherung im Falle von Arbeitslosigkeit. Die Adjektive aber ändern sich. Es geht nicht mehr um das Sichere, das Ausreichende. Es geht nur noch um das Mindestmaß, in jedem Sinne. Es geht um eine Mindestsicherung: So, dass ich mich neu organisieren kann, wenn ich arbeitslos werde. So, dass ich zu meiner Rente, von der klar ist, dass ich sie mir selber finanzieren muss, etwas dazubekomme. Und eine gesundheitliche Grund-(Mindestsicherung) habe. Das ist nicht schön. Auch die jüngere Generation würde sich über ein „ausreichend“ freuen. Aber sie kennt es nicht anders, weder von der Politik noch vom Berufseinstieg.

Von Resignation kann dennoch keine Rede sein. Denn das Mindeste hat auch eine andere Seite. Eine, die Ansprüche an den Staat stellt. Politik soll Spielraum nutzen, den sie trotz allem hat, um den Rahmen zu schaffen, in dem diese Generationen ihre Aufgaben bewältigen können. Geld in Bildung, in Kinderbetreuung und ja, auch in Pflege investieren. Denn dies ist die nächste Aufgabe für die kommende Generation. Politik soll also nicht mehr vom Abbau der Schulden reden. Sie soll Perspektiven aufzeigen, wie sie mit dem Ergebnis dieses jahrzehntelangen Exzesses umgeht. Das entbindet nicht vom Sparen, aber zwingt zum Umdenken. Sozial ist, was kommenden Generation ermöglicht, mit der finanziellen Lage umzugehen. Wir, die Politiker, sichern euch ausreichend und qualitativ hochwertige Kitaplätze zu, damit ihr arbeiten gehen, eure Rente finanzieren und dafür sorgen könnt, dass ihr und eure Kinder gesund seid. Wir bilden eure Kinder aus, damit sie sich in dieser von uns so geschaffenen Welt zurechtfinden. Das ist Aufgabe der Politik. Das ist das Verlangen nach einer neuen Ehrlichkeit, nach einer anderen Form der Gerechtigkeit. Und nach einer neuen Leidenschaft. Angemahnt werden diese Investitionen schon lang, nur bleibt alles halbherzig. Zu klein ist die junge Generation als Wählergruppe.

Und das Emotionale? Die Regierungen Kohl et al. haben nicht nur ein finanzielles Desaster hinterlassen. Sie sind es auch, die jetzt mahnen. Vom Bankrott reden sie, und vom Untergang des Abendlandes. So wird aus der faktischen Schuld auch eine emotionale. Erst billionenfach Schulden machen, dann die deutsche Einheit und die Finanzkrise als Sündenböcke ausmachen und abschließend die Apokalypse heraufbeschwören? So wird Hoffnung im Keim erstickt. Das ist die doppelte Schuld verlorener politischer Generationen.

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