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"Sehr eilige Korrektur" - treffender könnte man es kaum nennen, was da in Nordrhein-Westfalen geschieht. Die Koalition ist gescheitert. Es soll Neuwahlen geben.

© dapd

Gescheiterter Haushalt: NRW muss wählen: Das verändert die Republik

Es verbindet sich viel, wenn nicht alles mit einem Sieg von Hannelore Kraft auch für die bundespolitische Entwicklung. Krafts Niederlage wäre für Angela Merkels CDU ein Sieg gegen den Trend.

Das industriestärkste und bevölkerungsreichste Bundesland, Nordrhein-Westfalen, muss wählen – und das ist in der bundesrepublikanischen Politik immer ein Datum von besonderer Bedeutung. Einmal für die staatliche Verfasstheit, zum Zweiten als Ausweis für die Verfassung der Parteien, der sogenannten Volksparteien zumal. Wie hatte sich, beispielsweise, nicht nur die Landes-, sondern auch die Bundes-SPD gefreut, als Hannelore Kraft vor zwei Jahren die Macht in Düsseldorf zurückerobern konnte; und wie hatte sich, andererseits, die Landes-CDU nicht zuletzt auch über die Bundes-CDU gegrämt, dass sie wegen deren Politik die mühevoll errungene Vorherrschaft wieder verlor.

Nun beginnt der Wahlkampf nach zwei Jahren auf ein Neues, und sowohl er als auch das Ergebnis können weit übers Bundesland hinausweisen. Das ist mit dem Zuschnitt des Wahlkampfs und gleichermaßen mit den jeweiligen Hauptakteuren verbunden; die sind sowohl im Land als auch im Bund von Bedeutung. Der Wahlkampf wird insofern interessant, als die Abgrenzung bei den großen Parteien inhaltlich nahezu aufgehoben ist, die CDU inzwischen identisch die Positionen der SPD vertritt. Nur die Linke ist in NRW noch linker. Die FDP wiederum ist noch nicht so weit, sich bundes- oder landesweit selbst wieder gefunden zu haben. Fällt sie aber in NRW aus dem Parlament, wächst die Gewissheit, dass sie es auch in Berlin nicht mehr schaffen wird. Dass sie es vielleicht nie mehr schaffen wird. Und kommen die Piraten auf, wird der Bund sich vieles Neue überlegen müssen, um einen Sturmlauf abzuwehren.

Die Hauptakteure werden in jedem Fall unter verschärfter Beobachtung stehen. Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin, ist SPD-Bundesvize, gewählt in der Partei mit 97 Prozent; Norbert Röttgen, Bundesumweltminister und ihr Gegenkandidat, ist stellvertretender CDU- Chef. Daniel Bahr, Bundesgesundheitsminister, ist weithin unbemerkt einer der wichtigsten Freidemokraten in ihrem Überlebenskampf. Dazu kommen die Grünen mit einer pragmatischen Regierungslinken an der Spitze in NRW, und eben Piraten und Linkspartei. Für alle geht es um die Macht in NRW, unter den weltweit leistungsstärksten Ländern auf Rang 18, aber auch um Einfluss auf das Geschehen in Berlin.

Allein schon die Kandidatur Röttgens, der doch für die CDU die Energiewende in Deutschland durchsetzen soll, kann das Koordinatensystem von Schwarz- Gelb gefährden. Die Partner in Berlin sind längst keine mehr, sondern zu Konkurrenten geworden, die dem jeweils anderen nichts mehr an Erfolg gönnen. Die Union wird darum Wirtschaftsminister Philipp Rösler, dem FDP-Chef, keine einzige Möglichkeit lassen wollen, sich als inhaltlicher Gewinner darzustellen. Zwischen Wirtschaft und Umwelt wird die Ausrichtung der Energiewende entschieden – ihr Streit wird wieder aufleben.

Oder Kraft, die im Fall eines Sieges bei der Landtagswahl bestimmend in der Frage würde, wer die Bundespartei in den kommenden Bundestagswahlkampf führen soll, wann auch immer der kommt, ob 2012 oder erst regulär 2013. Kraft würde zumindest mit das letzte Wort sprechen, wem die besten Chancen gegeben werden, die SPD anzuführen gegen Angela Merkel. Zusätzlich würde ihre Art der Zusammenarbeit mit den Grünen als modellhaft angesehen werden, eine Zusammenarbeit, die auf Anerkennung als gleichrangige Partner beruht. Das hat es für die Grünen bei den Roten noch nicht gegeben.

So gesehen verbindet sich viel, wenn nicht alles mit einem Sieg von Kraft auch für die bundespolitische Entwicklung. Damit sind umgekehrt, im Fall von Krafts Niederlage, die Weiterungen auch klar: Es wäre für Angela Merkels CDU ein Sieg gegen den Trend, der somit gebrochen erschiene. Hinzu käme, dass ihr sehr ehrgeiziger Parteivize Röttgen noch einmal mehr Gewicht gewinnen würde, was für eine dann nach 2013 beginnende Nachfolgediskussion in der Kanzlerschaft vieles veränderte: Röttgen würde Thomas de Maizière von Platz 1 verdrängen. Es ist deshalb nicht übertrieben zu sagen: Wer in NRW gewinnt, verändert die Republik.

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