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Sterbehilfe unter Strafe zu stellen, ist keine Absage an das Grundrecht auf Selbstbestimmung, findet Antje Sirleschtov.

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Gesetz zu Sterbehilfe: Eine Schranke zur Wahrung der Menschenwürde

Der Gesetzesentwurf zur Sterbehilfe wird heftig debattiert. Ein Staat, der sich der Menschenwürde verpflichtet, kann und darf keine Grauzonen zulassen oder dulden, in der der Tod eines Menschen zu einem handelbaren Gut wird, sagt Antje Sirleschtov.

Von Antje Sirleschtov

Es geht um schwierigste ethische Fragen. Es geht um Leben und Tod. Soll man einem alten, einem schwerkranken Menschen helfen, wenn er nach langem Leiden den Mut zum Leben verloren hat und sich nach dem Tod sehnt? Soll man ihm beim Sterben helfen und, vor allem, soll man ihm beim Sterben helfen dürfen?

Nicht nur die Betroffenen selbst, ihre Angehörigen und Freunde, sondern auch Pfleger, Krankenschwestern und Ärzte plagen sich mit diesen Fragen, und das tagtäglich. Wobei sie sich dabei immer in einen tiefen inneren Konflikt begeben zwischen dem menschlichen Bedürfnis zur Hilfe und dem Respekt vor dem Leben. Kein wie auch immer geartetes Gesetz, kein Paragraf wird ihnen die umfassende Antwort geben oder dem Einzelnen moralische Entlastung anbieten können. Diesen Umstand gilt es einfach zu akzeptieren.

Auch wenn es in Deutschland Patientenverfügungen gibt, Beihilfe zum Suizid nicht strafbar ist und ihre Berufsordnung Ärzten Hilfe zur Selbsttötung ganz klar untersagt, findet sie wahrscheinlich hundertfach in deutschen Kliniken, Krankenzimmern und Hospizen statt. In diesem letzten Augenblick zwischen Leben und Tod ist der Staat außen vor. Am Ende bleiben die Betroffenen mit ihrem Gewissen ganz allein. Wie auch immer sie sich entscheiden, ihnen gebührt Respekt.

Dennoch ist es richtig, dass sich die schwarz-gelbe Koalition vorgenommen hat, einen Teil der Sterbehilfe unter Strafe zu stellen. Ein Staat, dessen Grundgesetz sich zur Wahrung der Würde eines jeden Menschen verpflichtet, kann und darf keine Grauzonen zulassen oder dulden, in der der Tod eines Menschen zu einem handelbaren Gut wird.

Das ist keine Absage an das Grundrecht zur Selbstbestimmung jedes Individuums. Es ist vielmehr die Schranke, die eine christlich geprägte Gesellschaft errichtet, um sich der Beliebigkeit im Umgang selbst mit einem so grundlegenden Wert wie der menschlichen Existenz zu entziehen. Weisen Sterbehilfsorganisationen auch noch so sehr auf ihre Kompetenz und ihr Verantwortungsbewusstsein hin, am Ende bleiben sie doch unternehmerisch agierende „gewerbliche“ Dienstleister – damit sind sie weit entfernt von jenem intimsten zwischenmenschlichen Raum, der sich um Schwerstkranke und ihre engsten Vertrauten schließt und sich des Urteils der Außenwelt entzieht.

Sollen neben nahen Angehörigen aber auch der Landarzt und die Hospizschwester per Gesetz vor Strafe geschützt werden, wenn sie Sterbehilfe leisten? Die Justizministerin will das an den Grad der persönlichen Nähe zum Sterbewilligen knüpfen – und ahnt dabei gar nicht, wie nah sie dem Deckel der berühmten „Büchse der Pandora“ kommt. Zeigt doch die Realität, dass Sterbewillige ihrem Leben erst nach jahrelangem Leiden und vergeblichen Heilungsversuchen ein Ende setzen wollen. Längst sind in solchen Situationen Ärzte und Pfleger zu engen Begleitern geworden. Welcher Richter soll sich da hineindrängen in diese Notgemeinschaft und urteilen, ob ausreichende persönliche Nähe zu Straffreiheit führt oder eine solche Bindung nicht vorhanden ist, weil eben wieder findige gewerbliche Sterbehelfer das Gesetz zu ihren Gunsten ausdehnen? Zu Recht fordern Ärzteschaft und Patientenschützer eine Debatte, offen und ernsthaft, bevor Gesetze beschlossen werden. Das sollte den Politikern ihr Ethos der Verantwortung sagen: Betroffene an der Klippe zwischen Leben und Tod dürfen nicht mit noch mehr Unsicherheiten belastet werden.

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