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Meinung: Gespenstertango

ARGENTINIEN HAT GEWÄHLT

Es gibt Gespenster, ganz gewiss. In Argentinien haben sie gerade eines entdeckt, und die verzweifelten Menschen glauben fest daran, dass es Gutes tut. Es heißt Carlos Menem, ist 73 Jahre alt, frisch geliftet, hat auf die alten Tage noch ein Kind gezeugt und nun den ersten Wahlgang um die argentinische Präsidentschaft gewonnen. Eigentlich aber ist Argentinien ja bankrott, 57 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, weshalb das einst reiche Land jüngst immer wieder bürgerkriegsartige Zustände erlebte. In Argentinien betteln die alten Mittelschichten, und in Argentinien sammeln Rentner Müll, um ihn zu verkaufen. Und Schuld ist – vor allem das Gespenst. Von 1989 bis 1999 hieß sein Konzept als Präsident Privatisierung und sonst gar nichts. Er log, betrog, bog die Verfassung, war korrupt, bezeichnete die Obdachlosen gern als „Asoziale und Kriminelle“. Jetzt droht sein Comeback, wenn sich Argentinien nicht endlich darauf besinnt, was wirklich zu tun ist: Vertrauen herstellen, die Herkulesaufgaben gemeinsam angehen. Stattdessen spricht die Politik mit gespaltener Zunge, rennen die Eliten vor der Verantwortung davon. Niemand scheint da zu sein, der glaubhaft für den nationalen Konsens, für den nationalen Ausgleich steht. Menem steht vielleicht noch für ein argentinisches Symbol, für den traurigen Tango, denn den kann er noch. Aber der Tango kennt kein Happy End. Am 18. Mai können die Wähler in der Stichwahl entscheiden, ob ein Gespenst regieren soll. ale

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