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Meinung: Gesunde Diät

Man soll sich von Zahlen nicht blenden lassen. Erst recht nicht von Haushaltszahlen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Man soll sich von Zahlen nicht blenden lassen. Erst recht nicht von Haushaltszahlen. Zwei Milliarden Mark Personalkosten des Landes Berlin bis zum Ende der Wahlperiode 2006 einzusparen, ist mehr als ein ehrgeiziges Ziel. Es ist Augenwischerei, wenn die künftige Regierungskoalition aus SPD, FDP und Grünen nicht sagen kann, mit welchen Mitteln dieses Ziel erreichbar ist. Die Sparerfolge der vergangenen Jahre machen zwar Mut: Seit 1991 wurden in der - west- und ostseitig stark aufgeblähten - Berliner Verwaltung 55 000 Stellen finanzwirksam gestrichen. Doch allmählich ist die Luft raus aus dem Ballon. Es wird immer schwieriger, Beamte sowie Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes mit Goldenem Handschlag, Vorruhestandsregelungen oder auf dem Weg altersbedingter Pensionierungen aus dem stadtstaatlichen Stellenplan zu entfernen.

In Berlin (Ost) war die kommunale Verwaltung DDR-hauptstadtbedingt völlig überbesetzt. In Berlin (West) war die Haupt- und Bezirksverwaltung ein wesentliches Element öffentlicher Beschäftigungsförderung. Beides hat sich nach dem Mauerfall erledigt, und die Senkung der Personalausgaben war eine der ersten und erfolgreichsten Sparprojekte der Großen Koalition. Ein Projekt, das noch nicht zu den Akten gelegt werden darf. Das ursprüngliche Vorhaben von Rot-Grün, bis 2006 eine Milliarde Mark aus dem Personaletat herauszuschneiden, um wenigstens die Tarifsteigerungen der nächsten Jahre aufzufangen, ist angesichts der Finanznotlage Berlins notwendig - und realistisch. Immerhin gehen in den nächsten fünf Jahren über 19 000 Dienstkräfte in den Ruhestand; nur ein Teil davon muss durch junge Nachwuchskräfte ersetzt werden. Eine Milliarde Mark einzusparen, ist machbar, aber zwei Milliarden?

Wer das auch nur annähernd durchsetzen will, benötigt nicht nur Durchsetzungskraft, sondern auch Fantasie. Ausgetüftelte Pensionsregelungen und Altersteilzeit, die Kürzung von Beihilfen, ein Beförderungs- und Einstellungsstopp reichen bei weitem nicht aus, um das Ziel zu erreichen. Bisher fehlte zum Beispiel der Mut, die mittlere Führungsschicht der Verwaltung weitgehend abzubauen. Oder den Widerstand gegen Versetzungen und die Überleitung von Personal auf private Träger und Unternehmen notfalls mit juristischen Mitteln durchzusetzen. Oder mit den Gewerkschaften über einen zeitlich begrenzten, freiwilligen Gehaltsverzicht, etwa beim Weihnachtsgeld, zu verhandeln. Immerhin müssen öffentlich Bedienstete keine Angst vor der Arbeitslosigkeit haben. Das sollten sich besser verdienende Beamte und Angestellte ruhig etwas kosten lassen.

Erst die Summe vieler Einzelmaßnahmen wird zeigen, was tatsächlich machbar ist. Am Ende eines längeren Weges. Der Senat muss dabei immer bedenken, dass es nicht um Kahlschlag, sondern um die Reform der öffentlichen Verwaltung geht. Um effektiv und somit auch kostengünstig arbeitende Behörden. Und am Stellenplan muss auch ablesbar bleiben, wo der Senat künftig Prioritäten setzt. Wer aus Berlin zum Beispiel eine Stadt der Jugend und der Bildung machen will, darf nicht bei den Schulen und Freizeitheimen anfangen, kräftig Personal einzusparen. Gegen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, das zeigt die Erfahrung der vergangenen Jahre, ist ohnehin wenig zu erreichen. Glücklicherweise haben die Gewerkschaften und Personalräte inzwischen ein Einsehen in die grausame Berliner Wirklichkeit und signalisieren Kooperationsbereitschaft. Hoffentlich haben sie das nicht vergessen, wenn es zum Schwur kommt. Und dazu kommt es bald.

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