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Meinung: Gesundheit: Operation mit Kunstfehlern

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat die Zeit vor der Abreise in den Sommerurlaub gut genutzt. Kaum ein Tag verging, ohne dass die unter Druck geratene Politikerin sich zur Zukunft des Gesundheitswesens geäußert hat.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat die Zeit vor der Abreise in den Sommerurlaub gut genutzt. Kaum ein Tag verging, ohne dass die unter Druck geratene Politikerin sich zur Zukunft des Gesundheitswesens geäußert hat. Langsam nimmt Gestalt an, wie sich die Ministerin diese Zukunft vorstellt. Wo allerorten gefordert wird, Schranken für mehr Wettbewerb niederzureißen, will sie den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen mit neuen Regeln neu ausrichten. Wo angesichts steigender Kosten die Rufe lauter werden, den Kranken über höhere Zuzahlungen, Teilprivatisierungen oder Kürzungen im Leistungskatalog mehr Lasten aufzubürden, mahnt sie die Solidarität an. Das klingt wie: mehr Staat statt mehr Markt.

Im Kern ist es das auch. Aber radikalen Wettbewerb im Gesundheitswesen kann es auch nicht geben. Wer alles dem freien Spiel des Markes überlassen will, muss die Konsequenzen nennen. Teure Krankheiten könnten sich dann nur noch Reiche leisten. Leider ereilen solche Krankheiten aber auch Menschen, die wenig verdienen. Nein, am solidarischen Prinzip unserer Gesundheitsversorgung sollten wir nicht rütteln. Da hat Ulla Schmidt Recht: Niemand soll krank bleiben, nur weil er arm ist. Oder arm werden, weil er krank ist.

Aber was muss passieren, um die Zukunft dieses Systems zu sichern? Schmidt hat Recht, wenn sie immer wieder auf die massiven Fehl-, Unter- und Überversorgungen im Gesundheitssystem hinweist. Es ist genügend Geld da - für eine Rationierung medizinischer Leistungen gibt es keinen Grund. Doch das Geld wird schlecht eingesetzt. Die Qualität des deutschen Gesundheitssystems ist im internationalen Vergleich deprimierend. Wenn die Bundesärztekammer nun klagt, Qualität sei nicht zum Nulltarif zu haben, darf man sich über den Maßstab schon wundern. 500 Milliarden Mark im Jahr, mehr als in fast jedem anderen Land. Von so einem Nulltarif träumen andere.

Schmidt geht mit ihren so genannten "Disease-Management-Programmen", speziellen Behandlungen für Brustkrebs, Diabetes, Bluthochdruck u.a., nun einen ersten Schritt, der dem Wettbewerb einen neuen Rahmen setzen soll. Kassen sollen sich stärker um die Kranken kümmern, statt sich vor allem um junge, gesunde Besserverdiener zu bemühen. Auch Fehl- und Überversorgungen werden vermieden, wenn Kranke nach transparenten Kriterien behandelt werden. Warum werden in Deutschland doppelt so viele Herzkatheteruntersuchungen vorgenommen wie im europäischen Durchschnitt - und warum ist die Versorgung der Kranken dennoch schlechter?

20 Prozent der Versicherten verursachen 80 Prozent der Kosten. Da hat Schmidt Recht, wenn sie sagt, sparen lässt sich nur, wenn diese Kranken gut behandelt und teure Folgeerkrankungen so weit wie möglich vermieden werden. Mit privater Vorsorge kann man diesen Menschen nicht kommen. Einen Diabetiker nimmt heute schon keine private Versicherung auf. Private Vorsorge taugt also allenfalls als Zusatzversorgung für medizinisch nicht notwendige Leistungen. Wer sie als Allheilmitttel empfiehlt, überlässt Kranke künftig sich selbst.

In der SPD müsste Schmidt damit doch einen festen Stand haben. Warum steht sie dennoch so unter Druck? Nicht immer ist gut gemacht, was gut gemeint ist. Die Signale sind oft widersprüchlich. Als Schmidt an Journalisten in Berlin Erklärungen verteilen ließ, der umstrittene Mindestbeitragssatz der Krankenkasse sei entbehrlich, sagte sie in Interviews genau das Gegenteil. Solche Verwirrung schadet - besonders wenn klare Ziele für Reformen verlangt werden.

Carsten Germis

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