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Meinung: Gesundheitswesen: Neuer Ton, alter Kurs

Was macht eine Ministerin, wenn sie neu in ihr Amt eingeführt ist? Sie spricht erst einmal mit vielen Menschen.

Was macht eine Ministerin, wenn sie neu in ihr Amt eingeführt ist? Sie spricht erst einmal mit vielen Menschen. Genau so hat auch die neue Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) begonnen, als sie vor knapp drei Wochen als Nachfolgerin vn Andrea Fischer ernannt wurde. Das Gesprächsklima zwischen Ministerium und Ärzten war damals schlecht. Der Protest der Ärzte gegen die Arzneimittelbudgets war so heftig, dass notwendige Entscheidungen der Selbstverwaltung wegen der tiefen Gräben kaum noch möglich schienen. Was tut man da, wenn man neu ist? Man zieht einen Strich und tut so, als könne man noch einmal von vorn beginnen.

Genau das hat die pragmatische Ulla Schmidt gemacht. Dass sie den Ärzten anbietet, auf den angedrohten Kollektivregress bei Überschreitung der Arzneimittelbudgets zu verzichten, soll das verhärtete Klima wieder entspannen. Die Bundestagswahl rückt schließlich näher. Da mag es der Bundeskanzler nicht, wenn die Patienten von den Ärzten in den Praxen gegen die rot-grüne Gesundheitspolitik aufgestachelt werden.

Dieser erste Schritt der neuen Ministerin auf die Ärzte zu ist symbolische Politik. Sie besänftigt so einen einflussreichen Lobbyistenclub, die deutschen Ärzte, die es gewohnt sind, massiv für ihre Interessen einzutreten. Sie verspricht aber auch, die Beitragssätze für die Krankenversicherten stabil zu halten. Wie soll das gelingen? Die Selbstverwaltungen, die Kassenärztlichen Vereinigungen, sollen nun darüber wachen, dass nicht mehr verschrieben wird als wirtschaftlich ist. Ob aber freiwillig gelingt, was Andrea Fischer selbst bei massiver Androhung des Regresses nicht gelang? Zweifel sind angebracht. Die Kassenärztlichen Vereinigungen begreifen sich leider allzu oft nicht alle als Organe der Selbstverwaltung, die die Gesamtinteressen des Gesundheitssystems im Auge haben. Mancher Ärztefunktionär gebärdet sich statt dessen so, als seien die Vereinigungen reine Ärztegewerkschaften mit nur einem Ziel: materielle Interessen ihrer Mitglieder zu bedienen.

Die ersten Signale der Ministerin werden von den Ärzten freudig aufgenommen. Doch wie sehen die Reaktionen aus der Ärzteschaft aus? Nun müssten auch die Budgets angehoben werden, fordern sie. Doch mehr Geld kann nur aus den Taschen der Beitragszahler und Patienten kommen. Will die Ministerin das? Vertrauen schafft man, Vertrauen stellt sich nicht einfach ein, meinte sie kürzlich. Das ist auch ein Hinweis an die Ärzte, ihr Angebot jetzt nicht dazu zu missbrauchen, allein mehr Geld für das System zu fordern, ohne über notwendige Strukturänderungen nachzudenken. Schließlich: Bei den künftigen Gesprächen wird Ulla Schmidt hoffentlich zuerst an die denken, die als einzige nicht am Tisch sitzen: an die Patienten.

Carsten Germis

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