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Meinung: Gewinne privatisiert, Risiken sozialisiert

RWE-Profite sprudeln und Strommasten knicken ein: Lehren aus der Liberalisierung

Die Ereignisse lagen verdächtig nah beieinander: Erst verkündet der Energiekonzern RWE einen Rekordgewinn – allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres waren es 4,7 Milliarden Euro. Und dann bricht nicht einmal zehn Tage später das Leitungsnetz des Versorgers im Münsterland zusammen. 250 000 Menschen waren teilweise tagelang ohne Strom. Zufall?

Zumindest liegt der Verdacht nahe, dass bei der Liberalisierung des deutschen Strommarkts einiges schief gelaufen sein muss. Die Gewinne scheinen privatisiert, während die Kosten von möglichen Schäden auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. So weigert sich RWE, Schadenersatzforderungen von betroffenen Bürgern und Unternehmen anzuerkennen. Lediglich fünf Millionen Euro stellt der Konzern in einem Härtefonds „kulant“ bereit. Der tatsächlich entstandene Schaden dürfte das zehnfache betragen.

RWE verweist jedoch auf die „besonders extremen Schneefälle“. Daher treffe den Versorger selbst keine Schuld, für das Wetter könne man schließlich nichts. Doch so einfach ist es nicht. Zum einen ist es kaum sinnvoll, bei jeder mittelschweren Wetterlage von einem „Jahrhundertereignis“ zu sprechen. Schließlich treten extreme Wetterbedingungen immer wieder auf, und sie werden nach den Prognosen sämtlicher Klimaforscher sogar noch zunehmen – übrigens auch wegen der klimaschädlichen Energieerzeugung in RWE-Braunkohlekraftwerken.

Zum anderen aber hat es die Strombranche mit einem gravierenden ordnungspolitischen Problem zu tun. Denn bei der Liberalisierung vor sieben Jahren ging es vor allem um eines: Möglichst schnell die gesamte Energieversorgung in private Hände zu übergeben. An funktionierende Kontrollorgane hingegen dachte man erst später. So trat das neue Energiewirtschaftsgesetz erst im Sommer dieses Jahres in Kraft, und die Bundesnetzagentur fängt gerade erst an, ihre Arbeit als Regulierungsbehörde aufzunehmen. Dabei gibt es warnende Beispiele, wohin eine Privatisierung ohne ausreichende Kontrolle führt: In Kalifornien gingen in den letzten Jahren gleich mehrfach die Lichter aus.

Das muss nicht generell gegen Privatisierungen sprechen. Im Gegenteil, sie sind immer noch der beste Weg zu mehr Effizienz. Aber es kommt auf die Kontrolle an. Gerade bei natürlichen Monopolen und Gütern der Daseinsvorsorge ist es gut, wenn der Staat nach wie vor ein Wort mitzureden hat. In der Pflicht ist deshalb die Bundesnetzagentur. Sie muss sicherstellen, dass die Einnahmen aus den Netzentgelten in die Qualität der Netze investiert werden.

Dasselbe gilt nicht zuletzt auch für die Deutsche Bahn, die in den nächsten Jahren an die Börse will. Kaum vorzustellen, wenn hier eines Tages das Prinzip gilt: die Gewinne für die Aktionäre, die Risiken für die Allgemeinheit. Schließlich haben Unternehmen wie die Bahn oder die Stromkonzerne einen öffentlichen Auftrag, und der muss bei aller Berechtigung zum Gewinnstreben an erster Stelle stehen. Wenn die Konzerne das beachten, tun die hohen Strom- und Bahnpreise den Verbrauchern nicht mehr ganz so weh.

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