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Meinung: Gipfel der Bescheidenheit

Von Robert von Rimscha Was ist für die Deutschen das wichtigste Zukunftsthema, das im Wahlkampf keine Rolle spielt? Richtig: Europa.

Von Robert von Rimscha

Was ist für die Deutschen das wichtigste Zukunftsthema, das im Wahlkampf keine Rolle spielt? Richtig: Europa.

Für den 22. September sei die Außenpolitik unwichtig; dies versichern uns Experten und Politiker. Man mag das bedauern oder auch nicht, es dürfte wahr sein. Europa allerdings ist dieses teigige Thema irgendwo zwischen Innen- und Außenpolitik, von dem man getrost annehmen kann, dass kaum ein Lebensbereich nicht durch die Fortschritte – oder eben Mängel – der weiteren Integration geprägt wird. Warum fehlt dann Europa im Wahlkampf?

Der Gipfel in Sevilla macht es deutlich. Erstmals hat man sich ein Leitthema ausgesucht. Es findet zwar viel Widerhall in der Öffentlichkeit, doch die Handlungsmöglichkeiten sind beschränkt. Illegale Einwanderung, soviel steckt schon im Adjektiv „illegal“, kümmert sich herzlich wenig um Regeln und Gesetze, Grenzbefestigungen und europäische Rats-Beschlüsse. Ausgerechnet der Mitte-Rechts-Regierung in Paris ist es nun zu verdanken, dass die dicke Keule ns Entwicklungshilfe-Kürzungen nicht geschwungen wurde. Stattdessen setzt Europa auf Anreize, mehr Abstimmung und mehr Problembewusstsein. Nichts daran ist falsch. Nur: Europas Bürger werden kaum den Eindruck gewinnen, Sevilla habe einen messbaren Fortschritt gegen die Illegalität gebracht.

Oder nehmen wir den Stabilitätspakt. Selbst die Fachleute werden sich noch wochenlang darüber streiten, was schwerer wiegt, dass Frankreich sich erstmals zu den Kriterien bekannt hat – oder dass eben dieses Frankreich mit der Koppelung an ein kräftiges Wachstum das gerade abgelegte Versprechen gleich wieder relativierte. Dem Bürger dürfte vor allem an der Stabilität im Portemonnaie liegen. Ein Euro, der intern inflationsfrei und im Außenwert stark gegenüber dem Dollar ist, ist ein fühlbarer Erfolg.

Bleibt das Thema Osterweiterung und Agrarsubventionen. Der deutsche Ansatz, den Beitritt der Neuen zum Aushebeln unsinniger Gebräuche der Alt-EU zu benutzen, ist richtig. Doch Entscheidungen wurden vertagt. Und der große Agrarstreit mit Paris hat noch gar nicht begonnen. Kleinere Delegationen, straffere Gipfel, teilweise öffentliche Beratungen: Dies alles sind Schritte in die richtige Richtung, was die innere Struktur der EU anbelangt. Es sind indes Tippelschritte, von denen die Öffentlichkeit wenig merken wird. Mehrheitsentscheidungen statt Einstimmigkeit: Zu diesem Sprung konnten sich die Regierungschefs nicht aufraffen.

Europa ist ein mühsames Unterfangen. Sevilla hat es erneut bestätigt. Dennoch: Ächzend rumpelt der Wagen in die richtige Richtung. Die Wegstrecke ist noch unendlich lang. Die Bürger erwarten zurecht, dass Verantwortlichkeiten klar verteilt sind. Ein Konsens darüber, welche Kompetenz national bleibt und welche nicht, zeichnet sich bestenfalls in Umrissen ab. Dass sich dies ändert, fordern nicht nur die Bürger der EU. Auch die Partner jenseits der Alten Welt haben wenig gegen ein wahrhaft starkes Europa einzuwenden. Wenn wir es denn schaffen.

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