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Jeder zweite Deutsche will einer Umfrage zufolge Suchergebnisse bei Google löschen lassen.

© dpa

Google: Richtigstellen ist besser als Löschen

Das Netz ist kein rechtsfreier Raum. Informationen zu löschen ist trotzdem nicht der richtige Weg: Besser wäre es, vermeintlich falsche Informationen zu korrigieren oder zu kommentieren - genauso auffindbar wie die erste Information.

Ein Fehler im Zeitungsartikel? „Morgen wird Fisch darin eingewickelt.“ Das war die tröstende Antwort, die erfahrene Journalisten jungen Kollegen gaben, um ihnen den Schreck zu nehmen, wenn sie etwas falsch gemacht hatten. Es war die bildliche Umschreibung der Tatsache, dass nichts älter war – und unwichtiger – als die Zeitung von gestern. Natürlich hat das auch in grauer Vorzeit nie wirklich gestimmt. Es hat immer Archive gegeben. Aber der Zugang zu einem Zeitungsarchiv war mal eine ziemlich exklusive Angelegenheit.

Das ist lange vorbei. Das Internet vergisst keine Informationen mehr. Und fast alles, was im Netz ist, macht Google auch auffindbar. Natürlich können wir Informationen löschen. Aber niemand kann verhindern, dass eine (falsche) Information zuvor kopiert und millionenfach verbreitet wird, ohne dass der Urheber der ursprünglichen Information darauf Einfluss hat. Früher haben die Menschen alles Erdenkliche unternommen, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Sie haben Dinge in Stein gemeißelt. Heute müssen sie manchmal darum kämpfen, dass das Netz Dinge auch wieder vergisst. Oder dass Google sie nicht mehr anzeigt – was meist das Gleiche ist.

Das Recht auf Vergessenwerden ist trotzdem keine neue Idee. Es steht hinter dem Institut der Verjährung und beschreibt die Tatsache, dass das Interesse der Gesellschaft, eine Straftat zu ahnden, mit der Zeit mehr und mehr abnimmt – abgesehen von schweren Verbrechen wie Mord. Im digitalen Zeitalter bedeutet vergessen: löschen. Darf ein Betrüger oder Kinderschänder Berichte über vergangene Straftaten löschen lassen? Ein Politiker seine Fehltritte oder Verbrechen im digitalen Gedächtnis ausradieren lassen? Löschen bedeutet Zensur. Wer entscheidet, was gelöscht wird? Google? Ein Richter? Dass das Internet nichts vergisst, ist wunderbar und schrecklich zugleich.

Jeder muss sich selbst um Informationen kümmern

Im Netz steht die Wahrheit ebenso wie die Lüge. Das Aktuelle neben dem Vergangenen. Aber das Netz ist kein rechtsfreier Raum: Was im analogen Leben Recht und Unrecht ist, ist es auch im digitalen. Im Netz können und müssen wir andere Umgangsformen entwickeln und die Möglichkeiten des Netzes besser nutzen. (Vermeintlich falsche) Informationen zu löschen, ist ein schlechter Weg. Besser wäre es, jedem die Möglichkeit zu geben, Informationen zu korrigieren oder zu kommentieren – genauso sichtbar und auffindbar wie die erste Information. Das Netz ist Diskurs. Das ist seine Chance, sie macht das Leben aber auch ein bisschen anstrengender. Jeder muss sich selbst um seine Informationen kümmern.

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