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Google Street View: Käse, Fleisch, Privatsphäre

Die Kritik von Ministerin Aigner an dem Projekt Google Street View ist nicht zeitgemäß.

Ilse Aigner ist Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Lecker Käse, lecker Fleisch, lecker Verpackung für lecker Käse und lecker Fleisch, das schien bisher das weite Verantwortungsfeld der CSU-Politikerin. Seit Dienstag ist Ilse Aigner auch Google-Ministerin, genauer Verbraucherschutzministerin vor Google Street View. Für diesen Suchmaschinenableger fahren Kameraautos durch die Straßen Deutschlands und fotografieren Wege und Häuser. Die Datensammlung dauert noch an, Google Street View für Deutschland existiert im Internet noch nicht. Ministerin Aigner weiß aber bereits, was böse Sache ist. Street View sei eine millionenfache Verletzung der Privatsphäre.

Ämter prägen Menschen. Wer also jeden Tag und damit 24 Stunden lang Verbraucherschutzministerin ist, der kann gar nicht anders, der bildet enorme Schutzbedürfnisse aus, der weiß um die Gefährdung der Mitmenschen durch dunkle Mächte. Käse, Fleisch, Google, das ist die Logik.

Für Google Street View wird fotografiert, was jeder, der sich in eine Straßenmitte stellt, fotografieren kann. Für Städte wie Paris oder London sind die Ergebnisse solcher Expeditionen bereits ins Netz eingestellt. Was Google Maps im großen Maßstab ist, das ist Street View im kleinen Maßstab. Für Touristen, für die Suche nach Treffpunkten oder die schnelle Begutachtung möglicher Wohnanlagen eine so praktische wie dienliche Einrichtung. Was Google Street View unternimmt, das ist mit den deutschen Datenschützern haarklein abgesprochen. Mehr Schutz der Privatsphäre geht nicht, oder?

Misstrauensministerin Aigner genügt das nicht. Sie fordert die Deutschen ultimativ auf, sich über ein Musterschreiben ihres Ministeriums gegen eine Veröffentlichung von Aufnahmen der eigenen Person, von eigenen Kraftfahrzeugen, von selbst bewohnten oder genutzten Gebäuden oder von Grundstückseigentum zu verwahren.

Jeder hat das Grundrecht auf Wahrung seiner Privatsphäre. Zugleich hat jeder das Recht auf Information. Google Street View bietet Informationen, die gegen niemand gerichtet sind. Missbrauchsmöglichkeiten sind nicht erkennbar. Die fürchterlichen Gartenzwerge haben kein Recht auf Persönlichkeitsschutz. Google wird mit Street View wieder Geld verdienen, vielleicht mehr Geld als das Kartografieren kosten wird.

Ilse Aigner führt Gutes im Schilde. Sie will uns vor der Profitmaximierung eines Netzgiganten schützen. Es ist der übliche Reflex der Überbesorgten, einer Ministerin, die Bürger nur als Schutzbefohlene begreift. Wer so handelt, der verhindert. Die wichtigsten Erfindungen und Errungenschaften der Internetindustrie sind importiert. Google, Facebook, iPhone, alles made in USA. Wie niedlich ist das, dass die Verbraucherschutzministerin zum Boykott dieser Hilfsmittel und Gegenwartsverbesserer aufruft? Aigners Attacke und Attitüde weisen in ein Land, das dringend über Sinn und Zweck von Straßenbeleuchtung diskutieren sollte.

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