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Griechenlands Schuldenkrise: Die Zahlmeisterin

Als "eiserne Lady" ließ sich Angela Merkel im Fall Griechenland feiern – das war voreilig. Die hinhaltende Art, mit der die Kanzlerin die Probleme in der Euro-Zone lösen wollte, hat zu einer gefährlichen Eigendynamik geführt.

Angela Merkel hat gezockt. Ausgerechnet die Kanzlerin, die vor vier Monaten noch die „große Lippe“ von Finanzspekulanten beklagte. Beim EU-Gipfel vor drei Wochen setzte sie darauf, dass die Banken Griechenland fürs Erste ausreichend Kapital geben werden – und sie persönlich zumindest bis zur NRW-Wahl am 9. Mai aus dem Schneider sein würde. So berichteten es Gipfelteilnehmer später.

Diese Rechnung geht wohl nicht auf. Und mehr noch: Die hinhaltende Art, mit der Merkel die Probleme in der Euro-Zone lösen wollte, hat zu einer gefährlichen Eigendynamik geführt. In Griechenland ist die Kapitalflucht gestiegen. Allein in den zehn Tagen nach dem EU-Gipfel flossen mehr als drei Milliarden Euro von griechischen Bankkonten ab. Die Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen liegen inzwischen höher als vor dem Gipfel. Die Sparanstrengungen der Regierung Papandreou werden wohl zum größeren Teil durch die höheren Zinsbelastungen wieder zunichte gemacht.

Drei Wochen nach Merkels vorgeblichem Siegeszug wird immer deutlicher: Die Kanzlerin handelte nicht aus ökonomischer Vernunft. Sie kalkulierte damit, einen deutschen Affekt zu bedienen, der zuerst nach innen gewendet ist – Sparen und Stabilität um jeden Preis. Merkel nutzte die Krise zur fiskalischen Machtdemonstration, gerade so, als könne man den Euro national so instrumentalisieren wie seinerzeit die von den Deutschen überbewertete D-Mark.

Zu dieser Erzählung gehört auch, dass sich die Kanzlerin zu Hause als weiße Ritterin feiern ließ, als neue „eiserne Lady“. Schon damals allerdings hätte eine Bemerkung des Chefs der Euro- Gruppe, Jean-Claude Juncker, nachdenklich machen müssen. Mit Blick auf Merkel sagte er: „Es gibt immer Sieger. Wo sind eigentlich die Verlierer? Wenn es keine Verlierer gibt, dann erscheint eigentlich nur Europa als Sieger.“

Ohnehin sind wesentliche Elemente der Gipfeleinigung inzwischen Makulatur. Die Zinssätze an Griechenland sollten demnach „kein Subventionselement enthalten“. Wenn der Zins für EU-Kredite jetzt aber bei fünf Prozent und damit um zwei Prozentpunkte unter dem Marktzins liegt, ist genau das der Fall. Und während ein Regierungssprecher in Berlin immer noch darauf beharrt, erst ein Gipfel der EU-Regierungschefs könne Kredite absegnen, geht die Kommission in Brüssel längst davon aus, dass dafür auch ein Treffen der Euro-Gruppe reicht.

Ein Geniestreich war die von Merkel als Erfolgsstory verkaufte Griechenlandlösung also mit Sicherheit nicht. Für die Kanzlerin allerdings musste sie aus zwei Gründen attraktiv erscheinen: Weil bei der Bankenrettung womöglich allzu eilfertig die Staatskasse geöffnet wurde, ließ sich am Beispiel Griechenlands die Auferstehung der schwäbischen Hausfrau zelebrieren. Zweitens boten sich die leichtlebig wirkenden Griechen als Sündenböcke geradezu an – im Gegensatz zu „den Banken“, denen die Politik bis heute wenig entgegenzusetzen hat. Da spielte es auch keine Rolle, dass eine Vorlage des Bundesbank-Vorstands kürzlich bemerkte, Deutschland werde trotz der von Merkel durchgesetzten IWF-Beteiligung die Hauptlast der Kredite tragen müssen.

Das aber hätte man auch schneller – und damit wohl auch billiger – haben können.

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