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Meinung: Große Freiheit CDU

Soziale Sicherheit gehört ins Parteiprogramm

Noch wird die Auseinandersetzung eher unterschwellig geführt, bemüht sich die Parteivorsitzende, die richtigen Duftmarken zu setzen – Leipzig ja, aber Dresden auch, also Freiheit in der Hauptsache, aber soziale Kompetenz im Angebot. Jürgen Rüttgers wird da eine Schlüsselrolle zukommen. Schon meinen manche, dass er die neue Sicherheit kaum noch erwähnt, um am Ende doch das Lager der Neoliberalen zu verstärken, dass er also immer weniger links blinkt, um forsch rechts zu fahren.

Nun könnte man das alles als innerparteiliche Taktik abtun, wenn die CDU nach dem Schock der letzten Wahlen die Gründe für ihre Fastniederlage analysiert hätte. Das schien damals zu schmerzhaft – und so verlagert sich die unterbliebene Aufarbeitung in die Programmdiskussion. Dabei muss sich die CDU entscheiden, ob sie den alten Spannungsbogen zwischen Freiheit und Gleichheit durch einen neuen zwischen Freiheit und Sicherheit ersetzen will, wie das Jürgen Rüttgers fordert, oder die Freiheit absolut setzt, wie das die Wirtschaftsliberalen möchten. Es mag ja sein, dass ohne Freiheit alles nichts ist, doch ohne eine gewisse Grundsicherheit böte eben auch die Freiheit vielen nur die Aussicht, unter den Brücken zu nächtigen, wofür sie sie am Ende nicht verteidigen werden.

Nur ein kleiner Teil der Menschheit ist so stark, auf Solidarität verzichten zu können, der größere bedarf der Sicherheit, um mit der Freiheit auch etwas zu beginnen. In den Gründungs- und Aufbaujahren der CDU wie der Bundesrepublik war das Gemeingut, allmählich scheint dieses Bewusstsein zu erodieren. Es hat etwas Selbstzerstörerisches, wenn diejenigen, die der Wiederbelebung des Sozialflügels der CDU durch Jürgen Rüttgers widerstreben, darauf hoffen, dass er es so ernst nicht gemeint habe. Ob Mindestlohn oder Kombilohn mit Sozialhilfeelementen – entscheidend ist, dass die Gesellschaft auch denen, die nicht mit einem chinesischen Wanderarbeiter konkurrieren wollen, ein menschenwürdiges Leben schuldig ist. Denn das war das Neue an den Sozialgesetzen der Bismarck und Disraeli, dass sie die Freiheit, unter Brücken zu schlafen, nicht dulden wollten – ein großer zivilisatorischer Fortschritt über Menschen- und Bürgerrechte und die Gleichheit vor dem Gesetz hinaus. Dass diese Freiheit nicht zurückkehrt, dafür stehen Union und SPD – manche Wirtschaftsführer und Liberale klingen da nicht so eindeutig. Für die Union jedenfalls muss gelten: Die Freiheit ist auch im Zeitalter der Globalisierung nicht alles.

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