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Meinung: Grüne Internationale Die „Europapartei“ schweigt über Fischers jüngste Sünden

Im Jahr 2004 müssen die deutschen Grünen viel wettmachen. Denn so gut, wie die Grünen in Deutschland es mit der geplanten gemeinsamen Wahlkampagne von 24 grünen Parteien aus 22 europäischen Ländern vorgaukeln, liegen die Dinge mit Blick auf die Wahl zum Straßburger Parlament nicht.

Von Matthias Meisner

Im Jahr 2004 müssen die deutschen Grünen viel wettmachen. Denn so gut, wie die Grünen in Deutschland es mit der geplanten gemeinsamen Wahlkampagne von 24 grünen Parteien aus 22 europäischen Ländern vorgaukeln, liegen die Dinge mit Blick auf die Wahl zum Straßburger Parlament nicht. Schon schwierig genug, dass die Grünen in Frankreich so zerstritten sind, dass Daniel Cohn-Bendit dort keine Lust mehr hatte auf eine Kandidatur und sich stattdessen auf dem ersten Männerplatz der deutschen Liste aufstellen ließ. Auch in Osteuropa werden die verschiedenen Grünen-Parteien bei der Wahl im Juni kommenden Jahres kaum etwas gewinnen können. Die Nachfolgeparteien der ehemals sozialistischen Staatsparteien dürften eher die sozialdemokratische Fraktion in Straßburg stärken, und auch die Rechtskonservativen machen Stimmung in den Beitrittsländern.

Das hat das Selbstbewusstsein der deutschen Grünen in Dresden nicht erschüttert. Forsch heften sie sich das Etikett der Europapartei an, das einstmals die CDU unter Helmut Kohl für sich erkämpft hatte. Die Grünen sind sicher, 2004 mit Joschka Fischer einen engagierten Europa-Wahlkämpfer zu haben – unabhängig davon, ob der deutsche Außenminister nun Ambitionen für Brüssel hat oder nicht. Da zählt es dann auch wenig, wenn sich Fischer von den Europa-Idealen seiner Partei entfernt – wie in der vergangenen Woche, als Deutschland mit dem Gestus einer Großmacht gemeinsam mit Frankreich gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt vorging und damit sowohl die Kommission als Hüterin der Verträge wie auch die kleineren Mitgliedstaaten brüskierte. Joschka, der sich zu seinen Parteifreunden per Video aus Neapel zuschalten ließ, schweigt zu diesem Konflikt. Und der Widerspruch wird in der Partei nicht offen ausgetragen.

Stattdessen beruhigt sich die Basis damit, ihre Oberen höflich und folgenlos daran zu erinnern, wie grüne Politik eigentlich aussehen würde, wenn man könnte, wie man wollte. Beispiel: die Volksabstimmung zur EU-Verfassung. Sieben Länder haben sie bereits beschlossen. Gerhard Schröder und sein Vizekanzler Fischer indes haben Tony Blair zugesagt, auf eine Volksabstimmung in Deutschland zu verzichten, auch wenn der grüne Parteitag ein nationales Referendum fordert. So hat Dresden auch gezeigt, wie kurz der Weg von grünen Idealen zur Selbsttäuschung sein kann.

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