zum Hauptinhalt

Guttenberg-Affäre: Der Anstand der Aufständigen

Die politische Klasse, vor allem die Regierung und die sie stützenden Parteien, ist im Umgang mit der Causa Guttenberg durchgefallen. Andere haben dafür Verantwortung übernommen - dank ihnen hat das Land eine wichtige politische Reifeprüfung bestanden.

Eines ist schon jetzt klar: Die Guttenberg-Affäre einschließlich des Rücktritts war für uns Deutsche eine Art politische Reifeprüfung. Das Ergebnis lautet – bestanden. Die politische Klasse, in diesem Fall speziell die Regierung und große Teile der sie tragenden Parteien, die an der Prüfung intensiv beteiligt waren, sind dagegen durchgefallen. Die Prüfungsaufgabe war sprachlich und inhaltlich einfach und klar: Darf sich ein Minister über Recht, Gesetz und Grundwerte stellen?

Ja, dieser Minister darf das, war die Antwort aus politischen Kreisen. Die darüber Fassungslosen aber blieben nicht sprachlos, zogen sich nicht angewidert zurück, verfielen nicht in Zynismus und Gleichgültigkeit. Die Fassungslosen, das waren die Wissenschaft, Teile der Medien und viele Bürger aus allen Schichten, Berufen, Altersgruppen. Sie hielten das Thema am Kochen, redeten sich die Köpfe heiß und wichen mit ihrer fordernden Präsenz nicht von der Stelle, bis die Politik den Rückzug antrat, nicht aus Einsicht, mehr aus Ausweglosigkeit.

Was der nun erst einmal entschiedene Kampf zwischen Regierten und Regierenden um die Abkehr von unterschiedlichen Maßstäben für „die da oben“ und „die da unten“ für unsere Demokratie bedeuten kann, ist eine packende Frage. Sicher scheint mir zu sein, dass die Machenschaften rund um die kopierte Doktorarbeit unsere Haltung zur Demokratie nicht beschädigen werden. Warum sollten wir Bürger uns abkehren von grundlegenden demokratischen Garantien wie zum Beispiel der Meinungs- und Pressefreiheit, die sich in der aktuellen Auseinandersetzung bewährt haben?

Was sich jedoch weiter abschwächen wird, ist die noch oft anzutreffende Überzeugung, die Politiker werden es schon richten, weil sie über mehr Informationen verfügen, sich jede verfügbare Beratung leisten können, an den Hebeln der Macht sitzen. Das ihnen zugeschriebene Deutungsmonopol, was richtig und was falsch ist in den öffentlichen Angelegenheiten, ist löchriger geworden. Die Rolle als Welterklärer mit der Lizenz zur Unfehlbarkeit konnten sie ohnehin bei vielen mündigen Bürgern nicht mehr spielen. Alles in allem eine gute Entwicklung. Dennoch kein Grund, der politischen Klasse pauschal das Vertrauen zu verweigern. So falsch es ist, sie zum Objekt unserer Bewunderung zu machen, Verachtung wäre ebenso daneben. Was gerade im Fall Guttenberg geschah, war so auch ein Ausbruch aus einer schon schläfrig gewordenen Volksherrschaft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false