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Meinung: Hallo Nachbarn, danke schön

RENTENREFORM IN FRANKREICH

Was für ein trauriges Finale. Ohne Aufhebens, ohne größere Proteste brachte Frankreich gestern die Rentenreform auf den Weg. Im Mai noch war das halbe Land auf der Straße, um gegen die Kürzungen zu demonstrieren. Hunderttausende protestierten Woche für Woche, brachten Schulunterricht und Verkehr zum Erliegen. Eine levée en masse schien das zu sein, eine Volkserhebung gegen Sozialabbau. Nicht nur in Frankreich. In Österreich brach der größte Streik seit 50 Jahren los, ebenfalls gegen Rentenpläne; in Ostdeutschland bereitete die IG Metall den Kampf um die 35Stunden-Woche vor. Das verlieh dem Protest eine Aura europäischer Solidarität – damals im Mai. Gestern: nichts mehr davon. Dabei sind die Einschnitte gravierend. Fünf Millionen Staatsbedienstete werden bis zu viereinhalb Jahre länger für die Altersversorgung arbeiten müssen; Beschäftigte werden bald nur noch volle Rentenansprüche haben, wenn sie 40 Jahre lang Beiträge zahlen. Sollten die Deutschen also Mitleid mit den Nachbarn haben, weil ihr Protest nichts fruchtete – und sie resignierten? Im Gegenteil, sie sollten ihnen dankbar sein für die Einsicht. Ob EU-Staaten unumgängliche Reformen vorantreiben oder verzögern und öffentliche Defizite vor sich herschieben, das spüren alle Euro-Europäer in ihrem Portemonnaie. Besonders wenn es sich um die größten Volkswirtschaften der EU, Deutschland und Frankreich, handelt. Die Europäer sind voneinander abhängig wie nie zuvor. Rücksicht kann nur verlangen, wer sie selbst übt – wozu die Reform überspannter Sozialsysteme gehört. cvm

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