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Protest gegen TTIP vor dem Willy-Brandt-Haus in Berlin.

© dpa

Handel mit Amerika: TTIP und Ceta - eine bedrückend unsachliche Debatte

Die Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) und den USA (TTIP) machen vielen Menschen Angst. Aber die Qualität der Gegen-Argumente im Bundestag ist teilweise erschreckend niedrig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Ihren Wohlstand verdanken die Deutschen zum Großteil dem internationalen Handel und der Exportstärke ihrer Wirtschaft. Diesen Segen nehmen die meisten wie selbstverständlich hin. Die wachsende Verflechtung macht vielen aber auch Angst – und wohl mehr noch das Gefühl, dass sie das Ausmaß des globalen Austauschs und dessen Folgen nicht mehr überschauen. Dieser Orientierungsverlust offenbart sich in der Vehemenz der Debatte um die Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) und den USA (TTIP) im Bundestag.

Den Abgeordneten geht es wenig besser als den Bürgern. Auch sie haben nicht die Zeit, Verträge mit mehr als tausend Seiten durchzuarbeiten und die Konsequenz jedes Details zu bedenken. Sie könnten den Sachverstand der Ministerien anzapfen, der im internationalen Vergleich gut ist. Tun sie es? Die Qualität der Argumente im Bundestag war streckenweise erschreckend niedrig. Und die Versuchung, Stimmung gegen „die Konzerne“ und das angelsächsische Wirtschaftsmodell zu machen, für manche unwiderstehlich. Immerhin erklärte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, wie nützlich die Abkommen für Deutschland wären. Er ist bereit zu kämpfen: um die Zustimmung seiner schwankenden Partei wie der Wähler. Das ist bitter nötig.

Die öffentliche Debatte der letzten 15 Monate verläuft bedrückend unsachlich. In den Beginn der Gespräche über TTIP, das Abkommen mit den USA, platzten die Enthüllungen über die Abhöraktivitäten der NSA. Das Misstrauen sitzt tief, selbst Kanada gerät nun ins Visier, nachdem die Gegner sich in fünf Verhandlungsjahren nicht um Ceta gekümmert hatten. Galten die Kanadier nicht als „die Guten“ in Nordamerika, die gefühlt ganz ähnlich ticken wie wir Deutschen?

Angstmache mit Chlorhühnchen

Doch nun wird mit den gleichen falschen Narrativen gegen Ceta mobilisiert, die gegen TTIP zu wirken scheinen. Angeblich drückten die Amis Europa Investitionsschutzklauseln auf, damit ihre gierigen Anwälte EU-Staaten verklagen können. Zudem wolle Nordamerika uns mit Chlorhühnchen (USA) und Hormonfleisch (Kanada) vergiften. Die Realität ist anders. Wer hat die meisten Investitionsschutzabkommen? Deutschland. Wer klagt am häufigsten? Europäische, nicht US-Firmen. Aber: Deutschland braucht die Investitionsschutzklauseln in Ceta und TTIP in der Tat nicht. Freilich nicht deshalb, weil das US-Justizsystem so perfide wäre, sondern weil Deutschland, die USA und Kanada Rechtsstaaten sind. Dort bekommt man auch ohne diese Klauseln sein Recht. Warum stehen sie in den Vertragsentwürfen? Weil andere EU-Staaten Wert darauf legen. Für Bulgaren, Polen, Tschechen und Ungarn ist das ein Weg, um ihre bilateralen Abkommen mit den USA und Kanada durch ein einheitliches Regelwerk der EU zu ersetzen. Briten, Dänen, Iren, Schweden finden, dass Investitionsschutz in jedes Handelsabkommen gehört, also auch in diese.

Ähnlich sachfremd ist die Angstmache beim Fleisch. Massenerkrankungen nach Verzehr sind weder aus den USA noch Kanada bekannt. Die Chlorbehandlung nach dem Schlachten tötet Keime sogar zuverlässiger. In Europa gab es aber Geflügel-Salmonellen-Skandale. Man sollte die Herkunft der Ware kennzeichnen und es den Verbrauchern überlassen, welches Fleisch sie lieber essen. Was sich nicht verkauft, bleibt eh nicht im Angebot.

Deutschland kann die Vertragsinhalte nicht alleine diktieren. Es muss mit seinen Partnern Kompromisse schließen. Damit es seinen Wohlstand durch noch mehr Austausch weiter mehren kann.

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