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Harald Martenstein.

© dpa

Harald Martenstein: Reality Shows: In einem besseren Land

Ich bin dem Tagesspiegel dankbar dafür, dass er mir, dem Programmdirektor von RTL, Gelegenheit gibt, unsere neue Reality Show, zu der es bekanntlich viel Kritik gegeben hat, öffentlich zu verteidigen.

Zunächst einmal: Wir nehmen die Kritik ernst. Es geht uns allerdings keineswegs um billige Effekte, es geht nicht darum, Tabus zu brechen, auch nicht in erster Linie um Einschaltquoten. Es geht uns um Aufklärung. Etwas Derartiges wie das, was unsere Show zeigt, darf sich in Deutschland nie wiederholen! Darin sind wir uns hoffentlich einig. Unsere Sendung hat dazu geführt, dass an die Stelle erstarrter Gedenktagsroutine wieder echte Betroffenheit getreten ist – ja, darauf sind wir durchaus ein wenig stolz.

Unsere Kandidaten machen freiwillig mit, ihre seelische Stabilität und körperliche Fitness wurden sorgfältig getestet, während, vor und nach den Dreharbeiten werden sie umfassend medizinisch und psychologisch betreut. Kein einziger Kandidat ist bisher zu Schaden gekommen. Wir legen allerdings, so weit dies möglich ist, ohne die Kandidaten zu gefährden, höchsten Wert auf historische Genauigkeit. Die Details stimmen. Ein Beratergremium aus namhaften Wissenschaftlern steht dafür ein. Auch bei der Nachbereitung jeder Folge wirken diese Experten mit.

Eine solche Sendung kann das echte Leid der damaligen Opfer natürlich nur andeuten, dies erklären unsere Moderatoren dem Publikum zu Beginn jeder Folge. Wir haben alle seriösen Opferverbände in unsere Planung einbezogen und sprechen die Szenarien jeder Folge vor den Dreharbeiten mit ihren Vertretern durch, 50 Prozent der Werbeeinnahmen gehen an Überlebende. Oft wird uns vorgeworfen, dass unsere Sendung eine „Show“ ist und unterhaltsam wirkt – dem halte ich entgegen, dass nur so Bevölkerungsgruppen erreicht werden können, die sich mit diesen Dingen normalerweise nicht auseinandersetzen und die man mit der Gedenktagsroutine eben nicht erreicht. Nennen Sie mir einen einzigen im besten Sinn aufklärerischen Film, der ein großes Publikum erreicht hätte, ohne nicht gleichzeitig gewisse Unterhaltungselemente zu enthalten!

Das Durchschnittsalter unserer Kandidaten liegt bei 19,4 Jahren. Auch unsere Zuschauer sind die bei weitem jüngsten aller politischen Sendungen. Beim Casting haben wir, natürlich nur für die Gruppe der Insassen, nicht beim Wachpersonal, Jugendliche mit muslimischem Migrationshintergrund berücksichtigt und junge Deutsche, die mit rechtsradikalen Gruppen in Kontakt standen oder noch stehen. Bei fast all diesen jungen Menschen sind, schon nach wenigen Tagen im Lager, Lern- und Umdenkprozesse ausgelöst worden. Ich bin sicher: Die Show „KZ auf Probe“ hat aus Deutschland ein besseres Land gemacht.

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