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Harald Martenstein: Was man für Hartz-IV-Kinder tun kann

Der SPD-Politiker Heinz Buschkowsky hat Recht: Wer sein Kind nicht zur Schule schickt, kriegt weniger Kindergeld. Kinderarmut kann manchmal zum Besten der Kinder sein.

Eigentlich bin ich Optimist. Ich glaube nicht daran, dass die Weltwirtschaft demnächst zusammenbricht. Ich glaube nicht daran, dass Deutschland sich abschafft. Ich glaube aber, dass es so etwas wie „Angstlust“ gibt, und dass wir Medienleute, die Buchautoren und Filmemacher diese Angstlust gerne bedienen, es ist ja auch irgendwie spannender. 90 Prozent der Nachrichten sind Psychologie und Drama. Besonderes Misstrauen ist angebracht, wenn etwas angeblich „immer mehr“ oder „immer öfter“ vorkommt. Zum Beispiel lese ich, seit ich denken kann, dass es „immer mehr Rechtsradikalismus“ in Deutschland gibt, alle paar Monate, seit Jahrzehnten. Da ich aus eigener Erinnerung weiß, dass es in den 60er Jahren verdammt viel Rechtsradikalismus gab und er sogar noch relativ salonfähig war, müssten wir, falls die „immer mehr“-Nachrichten stimmen, längst alle Nazis sein.

Es wird einem natürlich Verharmlosung vorgeworfen, wenn man so etwas sagt. Diese Logik begreife ich nicht, sorry. Ich verharmlose keineswegs das Verbrechen „Mord“, wenn ich bezweifle, dass 90 Prozent aller Verstorbenen ermordet wurden.

Die Armutsstatistik ist auch so ein Fall. Als „arm“ gilt, wer über weniger als 50 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügt. Wohlhabende Gesellschaften haben also auch relativ wohlhabende Arme. Die Reichen leben heute nicht viel anders als 1950, das Leben der Armen hat sich stark verbessert. Eine Gesellschaft ohne statistische „Armut“ wäre eine Gesellschaft, in der alle das Gleiche verdienen, in der es keine Aufstiegshoffnungen und keine Dynamik gibt, ich vermute, die meisten Menschen würden das nicht mögen.

In der vergangenen Woche kam die Meldung, es gebe immer mehr Kinderarmut. Als „arm“ gilt ein Kind, wenn seine Eltern staatliche Unterstützung bekommen, etwa Hartz IV. Diese Unterstützung, über deren Höhe und Ausgestaltung man natürlich diskutieren kann, hat den Sinn, Menschen vor dem Absturz in bodenlose Armut zu bewahren. Das heißt: Je mehr Geld der Staat ausgibt, um seine Armen zu unterstützen, desto mehr Kinderarmut produziert er in der Statistik. Andersherum: Wenn Hartz IV ersatzlos gestrichen wird, gibt es in Deutschland auf einen Schlag keine Kinderarmut mehr. Glauben Sie niemals Statistiken.

Was kann man für Kinder aus Hartz-IV-Familien tun? Man kann dafür sorgen, dass sie eine Schule besuchen, Deutsch lernen, ehrgeizig werden. Weil die Idee „das Kind soll es mal besser haben“ aus Teilen der Bevölkerung verschwunden ist, geht dies nur mithilfe von Zwangsmaßnahmen, wie der SPD-Politiker Heinz Buschkowsky sie vorschlägt. Wer sein Kind nicht zur Schule schickt, kriegt weniger Kindergeld. Kinderarmut kann manchmal zum Besten der Kinder sein.

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