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Meinung: Hart, aber hinderlich

Der starke Euro gefährdet die Konjunktur, die EZB wartet ab

Die Europäische Zentralbank blieb am Donnerstag hart. Wieder einmal. Und wieder einmal zu Unrecht. EZB-Chef Wim Duisenberg tastete den Leitzins nicht an. Und das, obwohl sein US-Kollege Alan Greenspan nichts unversucht lässt, um die Märkte auf eine weitere Zinssenkung in den USA einzustimmen – und damit den Dollarkurs weiter in den Keller schickt. „Vielleicht sind weitere Aktionen der Zentralbank“ nötig, orakelt Greenspan immer wieder. nach solchen Äußerungen klettert der Euro stets weiter nach oben.

Denn wenn die Amerikaner die Zinsen senken, bekommen Anleger dort weniger Rendite für ihr Geld. Bei einem Zinssatz von 1,25 Prozent bleibt unter dem Strich schon heute nichts mehr übrig. Deshalb investieren Anleger neuerdings in den Euro. Für den liegt der Leitzins immerhin noch bei 2,5 Prozent. Die USA stört das kein bisschen, im Gegenteil: Je billiger der Dollar wird, desto billiger werden US-Produkte im Ausland, und desto besser werden die Chancen der USA auf ein schnelles Ende der Wirtschaftskrise. Das nennen die Amerikaner flapsig „beggar-thy-neighbour-policy“. Es bedeutet, sich auf Kosten seiner Nachbarn zu sanieren.

Europa dagegen fährt einen anderen Kurs. Allerhöchstens 0,5 Prozentpunkte Zinssenkung und die auch erst Anfang Juni seien noch drin, heißt es. Das wird kaum helfen, um den Wert des Euro maßgeblich zu beeinflussen. Aber: Vor allem die deutsche Wirtschaft leidet unter dem starken Euro. Exportabhängige Unternehmen stöhnen, weil ihre Produkte, die sie in den Dollarraum verkaufen, immer teuer werden.

Am Kurs des Euro sei objektiv nichts zu beanstanden, sagt Duisenberg. Die EZB-Banker argumentieren, dass der Euro jetzt endlich wieder seinen Ausgabewert von 1999 erreicht habe. Und das sei doch schön. Ein starker und stabiler Euro sei schließlich im Interesse der Europäischen Union. Dass die Euro-Stärke am schwachen Dollar liegt, darauf wollen sie nicht eingehen.

Hier, und nur hier, hat die EZB Recht. Denn dass die USA den Dollar abwerten lassen, ist keine geldpolitische, sondern eine politische Entscheidung. Doch bei ihrer Nicht-Zinssenkung übersieht die EZB, dass die Wachstumsschwäche im europäischen Kerngebiet dramatische Ausmaße hat. Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit weitgehend ignorierend, orientiert sich die EZB zuallererst an der Inflationsrate. Hat sie Angst, dass die Inflation über zwei Prozent steigt, hebt sie die Zinsen an und macht das Geld knapp. Sinkt die Inflation, senkt auch die EZB die Zinsen. Dass die Notenbank einem immer noch heterogenen Wirtschaftsraum mit ihrer Einheits-Geldpolitik so gerecht wird, behaupten nicht einmal EZB-Fans. Auf Deutschland und seine Konjunkturprobleme kann die EZB bei ihren jetzigen Vorgaben jedenfalls so lange keine Rücksicht nehmen, wie in Spanien und Irland die Inflation deutlich über den Zielwerten liegt. Und das, obwohl Deutschland einen viel größeren Teil der Wirtschaftsleistung der Eurozone erbringt.

Der momentane Kurs ist gefährlich. Die EZB darf den Staaten Europas ihre politischen Reformaufgaben durch eine gefällige Geldpolitik zwar nicht abnehmen. Aber sie darf diese auch nicht fesseln. Die EZB muss flexibler auf die unterschiedlichen Bedingungen in den Ländern der Euro-Zone reagieren. Und zwar schnell: Wenn die osteuropäischen Länder auch den Euro bekommen, werden die Wachstumsraten in der Union noch weiter auseinanderklaffen.

Die Wirtschaft hätte die Hilfe der EZB schon jetzt gebrauchen können. Nicht als Antwort auf die amerikanische Abwertungspolitik, nicht als Ersatz für die europäische Reformpolitik. Aber als Antwort auf die europäischen Konjunkturprobleme.

Flora Wisdorff

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