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Hartz IV: Ein Zwischenruf zum Bildungspaket

Soziale Ungleichheit lässt sich mit Bildung nicht bekämpfen. Ursula Weidenfeld über den unermüdlichen Kampf der Politik gegen Windmühlen.

Bei allem Streit über den Sinn der Hartz-IV-Reform gibt es eine unumstößliche Gewissheit: Das Bildungspaket für Kinder bedürftiger Familien wird allseits als Meilenstein gefeiert, um soziale Ungleichheit in diesem Land zu beseitigen.

Schade nur, dass kein Bildungspaket der Welt das leisten kann. Und schade auch, dass das zwar alle ahnen, aber niemand ausspricht. Das Bildungspaket ist schließlich das allerheiligste Herz der Hartz-Reform. Da will niemand mäkeln. Doch soziale Ungleichheit lässt sich mit Bildung nicht bekämpfen. Das sagen jedenfalls Wissenschaftler aus Ländern, die weit mehr als ein Bildungspaket investiert haben, um genau das zu versuchen. Selbst gezielte Frühförderung, Sprach- und Nachhilfeunterricht im Grundschulalter haben beispielsweise in England nicht dazu geführt, dass junge Erwachsene oder Erwachsene dann am Ende zufrieden in einer höheren sozialen Schicht angekommen wären. Im Gegenteil: Sobald die Förderung aufhört, hört normalerweise auch der Aufstieg auf.

Wer also den sozialen Aufstieg erzwingen will, denkt am besten über lebenslange Internate nach. Das aber tun Demokratien aus gutem Grund nicht. Sie müssen nur noch lernen zu respektieren, dass Menschen oft einfach nicht aus ihrem vertrauten Milieu ausbrechen wollen – selbst wenn sie könnten. Denn wer sozial aufsteigen soll, muss das auch wollen. Das ignorieren die Hartz-IV-Reformer geflissentlich. Sie machen uns glauben, man müsse nur eine Geige oder eine Turnstunde für jeden organisieren, und schon klappt es auch mit dem Aufstieg.

Jetzt könnte man natürlich sagen, dass das ja nichts macht. Hauptsache, die Kinder, die Turnvereine und die Sozialpolitiker haben ihren Spaß. So harmlos ist es aber nicht. Denn das Geld steht woanders nicht zur Verfügung. Wenn sich der Vermittlungsausschuss durchringen könnte, das Arme-Kinder-Musikschulgeld für die gezielte Förderung aller Kinder mit Lernproblemen in die Schulen zu geben, wäre schon etwas erreicht. Es würde zwar nicht soziale Ungleichheit bekämpft, dafür aber Bildungsarmut. Auch wenn diese Kinder dann am Ende immer noch nicht in die Universitäten stürmen, hätten sie doch bessere Chancen, eine ordentliche Ausbildung oder einen guten Job zu finden. Das wäre nicht das, was die Sozialpolitiker heute wollen. Aber es wäre immer noch besser, als bewusst in einen Kampf gegen Windmühlen zu ziehen – wie das in den nächsten Tagen passieren wird.

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