zum Hauptinhalt

Meinung: Hat es Sinn, in Berlin Taubenhäuser aufzustellen?

„In der Sperrzone“ vom 1. Oktober Vor längerer Zeit las ich über die Möglichkeit, Tauben in Schach zu halten durch das Aufstellen von Taubenhäusern.

„In der Sperrzone“ vom 1. Oktober

Vor längerer Zeit las ich über die Möglichkeit, Tauben in Schach zu halten durch das Aufstellen von Taubenhäusern. Offenbar die billigste, effektivste, eleganteste, bewährteste, tier- und menschenfreundlichste Methode: Taubenhäuser halten die Tauben an einem Ort, da sie dort gefüttert werden, das Reinigungsproblem verkleinert sich, die Anzahl der Tiere lässt sich kontrollieren durch den Taubenwart, der die Eier austauscht, Taubenhäuser passen sich in das Stadtbild ein und bauen das Feindbild der Tauben ab, bzw. kommen den Tierfreunden entgegen.

U. von Ristok, Berlin-Kreuzberg

Sie haben vollkommen recht, wenn Sie einen vernünftigen Umgang mit den Stadttauben anmahnen. Einerseits lieben wir die Taube bei vielen Völkern seit biblischen Zeiten und nach dem schönen Bild von Picasso als Glücksbringer und Friedenstaube, andererseits verfolgen Menschen in den Städten die Tauben als „Ratten der Lüfte“. In Berlin haben wir die Ringeltaube und die von der Felsentaube abstammende Stadttaube; Hohl-, Turtel- und Türkentaube sind äußerst selten und werden nur noch von aufmerksamen Vogelfreunden entdeckt. Die Ringeltaube lebt in den Außenbezirken unserer Stadt und im innerstädtischen Grün. Sie nistet paarweise auf Bäumen, gelegentlich in Hecken. Im Frühjahr und im Herbst schließt sie sich zu kleineren Trupps zusammen, die dann auf Futtersuche durch unsere Parks und über die Wiesen streifen. Probleme bereitet sie dadurch nicht. Nur selten werden die lauten Balz- und Revierabgrenzungsrufe des Täubers als störend empfunden. Ganz anders sieht es mit den Stadttauben aus. Sie treten in Schwärmen auf, in die sich auch in der Stadt landende Brieftauben und den Taubenzüchtern entflohene Zuchttauben mischen. Diese Schwärme finden wir in der Innenstadt, wo die Gebäude an die Felsenlandschaft des Mittelmeerraums erinnern, aus der sie über Jahrhunderte in die Stadt vordrangen. Das gelang aber nur, weil die Stadt zwei weitere Bedürfnisse der Taube erfüllte: Futter und Nistgelegenheit.

Im Vorkriegs-Berlin gab es kein Taubenproblem: Die Häuser waren in Ordnung. Erst in den Nachkriegsjahren, als viele beschädigte Häuser Unterschlupf und Niststätten boten und Geld für Futter zur Verfügung stand, bildeten sich die unerwünschten Schwärme, die Fassaden und Denkmäler bekleckerten und unter Brücken und auf Bahnhöfen Menschen beschmutzten.

Aber auch den Tauben ging es nicht gut: Viele Futterstellen lagen an Straßen und Parkplätzen. Tote und verletzte Tauben waren die Folge. Nun setzte der menschliche Erfindergeist ein. Man bemühte aber nicht das biologische Wissen um das Leben der Taube, sondern Technik und Chemie waren gefragt. Vergiftungsaktionen empörten nicht nur Taubenfreunde, denn tote Tauben lagen auf Straßen, Schulhöfen und Bahngleisen. Klebepasten für Fensterbretter, Netze, Gitter, Spikes und neuerdings Plastikpieker wurden erfunden, aber nichts half. Die Taubenpille wurde glücklicherweise in Berlin nicht eingesetzt. Sie kann nicht wirken, wenn ein starker Täuber alles wegfrisst und die anderen Tauben nichts abbekommen; eine dosierte Einzelfütterung ist nicht möglich. Außerdem besteht bei der Taubenpille die Gefahr, dass die natürlichen Bestandsregulierer der Taubenschwärme, der in Berlin flächendeckend vorkommende Habicht und der Wanderfalke, auch einiges von den noch nicht verstoffwechselten Hormonen in der Taube abbekommen. Alle Maßnahmen waren erfolglos. Auch die Architekten haben nicht dazugelernt: Viele Bauwerke wirken wie Taubenschläge, aber dann immer an der falschen Stelle. Mal eine Schräge eingebaut, mal einen Träger etwas höher gesetzt, das hätte den Tauben den Nistplatz genommen. So muss man den durch gute Architektur gewonnenen ästhetischen Eindruck durch Netze und Gitter zerstören.Deshalb hat man sich bereits in über 50 deutschen Städten an die Biologie der Stadttaube erinnert und betreute Taubenschläge eingeführt. Nicht Taubenhäuser, wie Sie, lieber Herr von Ristok, vorschlagen, sondern Taubenschläge, wie sie der Taubenzüchter verwendet. Und die auch nicht offen im Stadtbild, das würde nur den Vandalismus fördern. In Kreuzberg wurde vor Jahren ein Taubenhaus abgefackelt.

Diese betreuten Taubenschläge bieten einige der von Ihnen genannten Vorteile: Reduzierung der Schwarmgröße durch Entnahme der Bruteier und den Ersatz durch Gips- oder Toneier. Da die Tauben im Schlag gefüttert werden, entfallen große Kotmengen an Stellen, wo man den Kot nun überhaupt nicht, und vor allem nicht in großen Mengen, gebrauchen kann. Und für die Tauben bietet es den Vorteil, dass kranke oder verletzte Tiere behandelt, manchmal auch von ihren Leiden erlöst werden können. Die ersten Taubenschläge in Berlin funktionieren. Und deshalb werden der Avian Vogelschutzverein e. V. und der Berliner Tierschutzverein weitermachen.

Auch meine Bemühungen, bei Hausbesitzern, Wohnungsbaugesellschaften und Politikern in den Bezirken Verständnis für diese erfolgreiche Methode zur Stadttaubenregulierung (nach dem sogenannten Augsburger Modell) zu wecken, gehen weiter.

— Dr. Klaus Lüdcke, Tierschutzbeauftragter

des Landes Berlin

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false