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Meinung: Heilsamer Erwartungsdruck

EUROPA ARBEITET AN SEINER VERFASSUNG

Ein präsidiales oder ein demokratischeres Europa – vor diese Alternative sieht sich der EUKonvent gestellt, seit Frankreichs ehemaliger Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing seinen Entwurf für eine europäische Verfassung vorgelegt hat. Kaum ist das Papier auf dem Markt, wird auch schon Kritik laut an Giscards Vorschlag, im europäischen Haus noch eine Ebene einzuziehen – einen „Völkerkongress“, dem auch Mitglieder der nationalen Parlamente angehören sollen. Die Bedenken des deutschen Außenministers Joschka Fischer sind berechtigt: Denn auch ohne „Völkerkongress“ ist die EU für die meisten ihrer Bürger kompliziert und undurchschaubar genug. Und außerdem muss sich die künftige, größere EU nicht an der Zahl ihrer Institutionen, sondern an ihrer Transparenz und den demokratischen Kontrollmöglichkeiten messen lassen. Dennoch ist es gut, dass Giscard d’Estaing nach Monaten des Zuhörens, Beratens und Philosophierens den EU-Konvent mit seinem Entwurf unter heilsamen Entscheidungsdruck gesetzt hat. Viele Punkte sind noch offen – etwa die Frage, ob Europa einen mächtigen EU-Präsidenten braucht, um wieder handlungsfähig zu werden. Die Idee stammt unter anderem von Frankreichs heutigem Staatschef Jacques Chirac und könnte zur Schwächung des Europaparlamentes führen. Ob aus Giscards Entwurf am Ende ein bürgerfernes „Europa à la française“ wird, ist noch nicht ausgemacht. Es darf gestritten werden – auch zwischen Berlin und Paris. ame

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