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Hilfe bei Hochwasser: Ein Volk der Flutbürger

Die Menschen helfen auf den Deichen. Doch um die Finanzhilfen für die Flutopfer könnte es noch politischen Streit geben.

Hilfsbereitschaft braucht keine Bühne. Angereiste Firmen helfen mit Gerätschaft, Kegelvereine füllen Sandsäcke, Unipräsidenten schippen Schlamm, und niemand erwartet mehr als ein Dankeschön. Wer sagt, die Deutschen tun sich schwer mit Empathie? Die Flut der Anteilnahme ist bemerkenswert an diesem Hochwasser, das erste gesamtdeutsche, weil Ostler und Westler, Nordlichter und Donauanrainer betroffen sind. Die Deutschen – ein Volk der Flutbürger.

Die Bundeskanzlerin hat das schnell begriffen. Sie ist bei den Leuten, ob in Deggendorf, Wittenberge oder Hitzacker, kehrt nicht die omnipotente Macherin heraus, sondern lässt Mitgefühl spüren: Ich bin bei denen, die Hilfe benötigen. Das wird dem Flut-abstinenten SPD-Kandidaten auf die Füße fallen: Er hat das Momentum verpasst. Es ist egal, dass er sich nicht als Deichgraf in den Vordergrund spielen wollte – Merkel macht vor, dass es auch eine andere Rolle gibt: die der Anteilnahme.

Sandsäcke werden geschleppt, doch Geld fließt sparsam. Es ist kein Widerspruch, dass es anders als 2002 keine Welle der Spendenbereitschaft gibt. Die Lage ist unübersichtlicher, keine regionale Begrenzung wie 2002, diesmal ist Deutschland über hunderte Kilometer verwüstet worden. Vieles an dieser Katastrophe ist Egoismus, Ignoranz und falscher Politik geschuldet. Das hat einen besseren Hochwasserschutz verhindert – an der Donau oder der Mulde. Auf großzügige Spenden kann diesmal niemand hoffen, der nach der ersten Jahrhundertflut das Geld nahm, um die Schäden zu beseitigen, aber keine Lehren aus dem Unheil zog. Den Bürgern von Grimma war der schöne Blick auf den Fluss lieber als eine solide Deichanlage. Wer mag da noch einmal spenden?

Dass die Schäden im Land Brandenburg bis jetzt vergleichsweise gering sind, ist das Ergebnis einer konsequenteren Hochwasserstrategie als anderenorts: Da existieren Überflutungsflächen, wurden Deiche erhöht und andere zurückversetzt, um dem Fluss Raum zu geben. Ohne sich anzulegen mit den Hausbesitzern, den Bauern, der Forstwirtschaft oder anderen Interessenvertretern, um Überflutungsflächen auszuweisen oder Häusern mehr Abstand vom Wasser zu verordnen, geht das nicht. Wenn der Fluss sich in sein Bett zurückgezogen hat, wird diese Aufgabe aber gern schnell wieder vergessen.

Die 100 Millionen Euro Soforthilfe sind nur ein Anfang. Wichtiger ist, wie der Fluthilfe-Fonds gefüllt wird, mit dem die Schäden von voraussichtlich acht Milliarden Euro beseitigt werden sollen. Ob dies durch Bundesanleihen, höheren Soli-Zuschlag oder Steuererhöhung geschieht, ist den notleidenden Menschen egal – nicht aber der Opposition. Auch nicht dem Regierungspartner FDP, der schon vor Steuererhöhung warnt.

Nach dem Hochwasser ist deswegen vor dem Streit. Bei der Fluthilfe-Finanzierung wird es auch darum gehen, ob sich die CDU noch die teuren Wahlgeschenke einer verbesserten Mütterrente oder eines höheren Kinderfreibetrags leisten kann. Die rot-grüne Bundesregierung hat im Wahlkampf 2002 die schon beschlossene Steuersenkung ausgesetzt. Bei der Debatte wird deshalb Kandidat Steinbrück mit seiner Bundesrat-Mehrheit eine zweite Chance bekommen. Nicht ausgeschlossen, dass die empathische Kanzlerin am Ende doch noch ein Hochwasser-Opfer wird.

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