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Meinung: Hütchenspieler

Die Kommunen brauchen mehr Geld – und müssen gleichzeitig mehr sparen

Von Antje Sirleschtov

Ob es in Isernhagen wohl ein Schwimmbad gibt? Vielleicht eines, das wegen Geldmangel demnächst geschlossen werden muss? Gibt es kratertiefe Schlaglöcher in den Straßen von Neuhardenberg? Man weiß das alles nicht. Warum auch? Die beiden Örtchen – das eine in Niedersachsen, das andere in Brandenburg – werden in den Geschichtsbüchern wohl eher auf den hinteren Seiten auftauchen. Wenn überhaupt.

Und doch eint die Gemeinden Isernhagen und Neuhardenberg in diesem Augenblick ein gemeinsamer Ruhm. Beide Gemeinden sind in diesem Sommer zum Treffpunkt der Bundesregierung geworden. Beide erkor der Bundeskanzler anschließend geschickt zu Medien-Kulissen, vor denen entscheidenende Weichenstellungen seiner Regierungspolitik verkündet wurden. Von beiden Orten ging auch eine gemeinsame Botschaft aus: Das Geld reicht nicht hinten und nicht vorn. Ob es das Vorziehen der Steuereform auf nächstes Jahr betrifft, die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe oder die Stärkung der kommunalen Finanzen. Weil niemand – weder der Bund noch die Länder und schon gar nicht die Kommunen – scheinbar etwas zu verteilen hat, wird Deutschland in Zukunft noch mehr neue Schulden machen. Oder seine Steuerzahler noch stärker zur Kasse bitten. Wahrscheinlich sogar beides.

Deutschlands Bürgermeister und Kommunalpolitiker haben das längst erkannt. Wie anders könnte man erklären, dass sie eine Entscheidung der Bundesregierung als „Täuschung“ verunglimpfen, die ihnen doch nächstes Jahr 4,5 und ab 2005 sogar fünf Milliarden Euro frisches Geld in die Stadtkassen spülen soll. Waren sie es nicht, die mit der Drohung hausierten, die leeren Kassen in den Rathäusern würden zur Schließung von Bibliotheken führen, die Investitionskraft der Kommunen reduzieren und letztlich sogar die Demokratie unterwandern? Nun hat ihnen Gerhard Schröder fünf Milliarden Euro angeboten, und das Jammern hört trotzdem nicht auf. Ist das Kanzler-Versprechen am Ende nur eine geschickt verschnürte Mogelpackung? Oder haben die Staatsdiener an der kommunalen Basis bei all dem öffentlichen Verständnis für ihre Sorgen völlig vergessen, dass auch sie noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgereizt haben, in ihren Verwaltungen zu sparen und das Geld lieber zu investieren?

Es sieht so aus, als ob in beidem ein Fünkchen Wahrheit liegt. Wie viel Geld noch immer sinnlos verschleudert oder aus persönlichen Egoismen von Bürgermeistern falsch investiert wird, davon kann man regelmäßig in den Berichten von Rechnungshöfen lesen. Es wäre also an der Zeit, dass Deutschlands Kommunalpolitiker ihrer Forderung nach mehr Geld eine wirklich glaubwürdige Initiative zur Steigerung von Effizienz und Neuorganisation beigeben. Das würde nicht nur ihr Ansehen bei Bürgern und Unternehmern stärken. Das würde dem Bund und den Ländern auch das Hin- und Herschieben von Steuereinnahmen und Verantwortlichkeiten schwerer machen. Denn nichts anderes als ein solch milliardenschweres Hütchenspiel steht an, wenn sich in diesem Herbst Bundesregierung und Ministerpräsidenten zusammensetzen und über all die Reformen verhandeln, die ab Januar wirksam werden sollen. Da wird um die Verschiebung von Umsatzsteueranteilen, die Kosten für Sozialhilfe und neue Kindergärtenplätze gerangelt werden. Und es wird irgendwelche Kompensationen für politisches Wohlverhalten geben.

Diejenigen, die das Geld verdienen, über das die Politiker streiten, ahnen spätestens seit Montagabend, worauf die Verhandlungen hinauslaufen werden: Die Selbstständigen werden am Ende mehr Steuern zahlen, obwohl sie doch eigentlich entlastet werden sollten. Die Unternehmer werden trotz der Schlupfloch-Schließungs-Taktik des Finanzministers neue Wege suchen, um ihr Geld vor dem Zugriff des Fiskus zu verstecken. Und Bund, Länder und Kommunen werden sich weiter die Verantwortung zuschieben. Für neue Schulden genauso wie für Schlaglöcher und geschlossene Schwimmbäder.

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