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Meinung: Hummelflug in die Eine Welt

Kaum hat die Regierung etwas gut gemacht, fällt sie in sich zusammen wie ein Soufflé

Unglaublich wie diese Regierung Energie verschwendet. Keine fossile, aber menschliche: Empathie, Enthusiasmus, Leidensbereitschaft. Worum es geht? Um die Agenda 2010 und den Tsunami.

Vergangenes Jahr gelang es der Regierung, gegen viel Widerstand Hartz IV durchzusetzen. Sie trug so dazu bei, die Leidens- und Veränderungsbereitschaft der Bevölkerung zu vergrößern. Sogar einige Wählersympathie können Gerhard Schröder und Franz Müntefering für ihren harten Kurs einheimsen. Heute verfügen die beiden über eine Reformautorität, wie sie zuletzt die Regierung Brandt/Schmidt hatte. Sie können Maß und Richtung der Veränderung bestimmen, sie können definieren, wie das Mehr an Leidensbereitschaft und das Weniger an Hypochondrie zu einer neuen Lust auf Engagement, auf Sich-Anstrengen weiter entwickelt werden kann.

Und was fangen sie an mit dieser Definitionsmacht, welche Botschaft für das Jahr 2005 senden sie aus? Sie rufen das Jahr der Entschlossenheit aus und demonstrieren zugleich, dass sie zu nichts Bestimmtem entschlossen sind. Die Klausuren von Roten und Grünen hatten sogar einen Stich ins Unverschämte, weil sie ihre vorsätzliche Untätigkeit nicht einmal ernstlich bemäntelten. So verplempern sie die menschliche Energie, die sich 2004 unter hohem Druck und unter hohen Kosten gebildet hat.

Nahezu grotesk wird diese „Strategie“ dadurch, dass sie auf einer Annahme beruht, die in den letzten Wochen krachend widerlegt wurde. Schröder und Müntefering dachten, die Deutschen seien nach anderthalb Jahren Agenda-Kürzerei, nach Einkommensverlusten und politischem Stress ausgepowert, ihre Emphase sei erschöpft. Dann kam die Flut und mit ihr eine wahre Explosion an Empathie und Engagement.

Der Bundes- und der Vizekanzler nutzten die Gunst dieser tragischen Stunde. Sie lieferten eine ausgezeichnete Krisenperformance und proklamierten eine neue Phase der Weltinnenpolitik. Von nun an, so ihr Versprechen, wolle Deutschland noch mehr tun auf dem Feld der internationalen Hilfe. Die 500 Millionen Euro sollten ein Signal sein, ein Startsignal. Und was geschieht nun, damit aus der einmaligen Aktion Politik wird, was sagt man den Leuten, wohin dieser Erkenntnisblitz, dass die Welt klein geworden ist, führen soll? Brauchen wir mehr Entwicklungshilfe, mehr Marktöffnung oder mehr Flugzeuge? Wie sieht das Konzept für diese Weltinnenpolitik denn aus?

Ganz einfach: Es gibt keines. Und wenn nicht alles täuscht, wird nicht mal ernsthaft daran gearbeitet, rechtzeitig vor dem Erlahmen dieses wunderbaren Engagements ein Politikangebot zu machen. Schon geraten die 500 Millionen in den Sog haushalterischer Finessen. Man überlegt, ob diese Summe mit dem Schuldenerlass zu verrechnen sei oder ob lieber dem Entwicklungshilfetopf zugerechnet werden soll. Oder beides?

Und dann die Kleinigkeit mit den Flugzeugen. Deutschland, eine der größten Industrienationen der Erde, verfügt auch 15 Jahre nach dem Mauerfall, sieben Jahre nach dem Kosovokrieg und drei Jahre nach dem 11. September noch nicht über Transportflugzeuge, die in der Lage wären, Soldaten oder Hilfsgüter nach Asien oder Afrika zu bringen. Wenn alles nach Plan und weiterhin ohne politische Emphase läuft, dann muss Deutschland darauf auch noch weitere vier Jahre warten. Dann kommt der Airbus A 400 M. So lange verfügt die Bundesregierung nur über die Transall, ein Fluggerät mit geringer Reichweite, das so schwerfällig ist wie eine Hummel, nur nicht ganz so schnell. Hummelflug in die Eine Welt. Nun hört man, der Außenminister wolle – aber psst! – mehrere Flugzeuge (man munkelt von bis zu vier!) nicht etwa kaufen, sondern: leasen. Wenn das keine Weltinnenpolitik ist!

Haben Rote und Grüne vielleicht keine Kraft für ein globales Politikkonzept, weil sie innenpolitisch so sehr damit beschäftig sind, nichts zu tun? Schon merkwürdig unsere Regierung. Gerade wenn sie etwas richtig gut gemacht hat wie bei Hartz IV oder bei der Flut, fällt sie danach in sich zusammen wie ein Soufflé. Und vergeudet menschliche Energie, die leider nicht rasch nachwächst.

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