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Ich habe verstanden: Das Sommerloch fällt aus

Was dabei rauskommt, wenn Menschen zu viel Zeit zum Nachdenken haben, zeigt sich alljährlich im sogenannten Sommerloch. Doch in diesem Jahr ist alles anders: ernster. Wir haben Katastrophen und Verbrechen und schlechte Laune.

Früher - und damit meine ich tatsächlich: auch letztes Jahr - früher also, da gab es ja noch das so genannte Sommerloch. Das Sommerloch war eine großartige Erfindung, keine Ahnung von wem, aber das Sommerloch bedeutet: auch wenn nichts los ist, Zeitungen müssen verkauft, Nachrichten gesendet werden. Also füllen wir all das mit dem nebensächlichsten, dümmsten, uninteressantesten Dingen der Welt. Klassiker des Sommerlochs waren zum Beispiel die so genannte "Dienstwagenaffäre" der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) im vergangenen Jahr. Die geht aber noch als politisches Thema durch im Vergleich zu 2008, als die Bundestags-Kinderkommission ernsthaft über ein Verbot von Überraschungseiern nachdachte. Was dabei rauskommt, wenn Menschen zu viel Zeit zum Nachdenken haben, zeigt ein Vorschlag von Gabriele Pauli, damals noch CSU, für eine Ehe auf Zeit, die man, wenn man will, nach sieben Jahren verlängern könne. 2006 und 2005 waren die Sommer der Tiere: Problembär Bruno tapste durch bayerische Wälder und Känguru "Skippy" hopste durch Frankfurt am Main. Und dann gab es noch Florida-Rolf und die "Plantsch-Affäre" von Rudolf Scharping. Es gab den Kaiman "Sammy" und 1993 gab es den CSU-Politikers Dionys Jobst, der vorschlug, man könne doch Mallorca für 50 Milliarden Mark als 17. Bundesland kaufen. Wie großartig bescheuert und langweilig das doch war.

In diesem Jahr haben wir kein Sommerloch, wir haben ein Loch, aus dem Öl in den Golf von Mexiko läuft, wir haben Löcher in den Köpfen von Menschen, die für das Verbrechen von Duisburg verantwortlich sind. Wir haben Jörg Kachelmann, der im Loch saß, vier Monate lang - und dessen Geschichte jetzt schon beweist, egal, wie der Prozess ausgeht - wie man nicht mit Menschen umgehen sollte. Wir haben die "Afghanistan-Protokolle", die die Wahrheit darüber erzählen, wie die USA Krieg führt. Und wir haben eine Bundesregierung, dessen Mitglieder man tatsächlich mal Ruhe und Erholung wünscht, damit sie mal zur Vernunft kommen.

Wir haben kein Sommerloch, nicht mal der inszenierte Rosenkrieg zwischen Lothar Matthäus (Stand Freitag, 13 Uhr: keine Trainerstelle) und seiner, nun ja, Frau, amüsiert die Menschen wie einst Sammy, es nervt einfach nur. Wir haben Katastrophen und Verbrechen und Unfähigkeit und schlechte Laune - und tatsächlich wünsche ich mir ein Sommerloch, wenn auch nur für ein paar Tage.

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