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Meinung: Im Kampf – mit sich selbst

Nahost und große Koalition: Warum beide Lager einander nicht trauen dürfen

Die Frage, wer die Macht in Deutschland hat, wurde bisweilen durch äußere Ereignisse beantwortet. Willy Brandt und die Ostpolitik, Helmut Schmidt und die Nato-Nachrüstung, Gerhard Schröder und der Irakkrieg: An globalen strategischen Entscheidungen bewährten sich Bündnisse – oder scheiterten. Von ihrem Techtelmechtel mit der Friedensbewegung konnte sich die Sozialdemokratie lange Zeit nicht erholen. Und der Kosovokrieg prägte Rot-Grün stärker als das Dosenpfand. Deutsche Geschichte und deutsches Militär bildeten stets das heikelste Spannungsfeld der Politik. Sie tun es bis heute.

Bald könnte es wieder zum Schwur kommen. Soll sich die Bundeswehr an einer internationalen Friedenstruppe in Südlibanon beteiligen? Sollen deutsche Panzer an der israelischen Grenze stehen? Man spürt, wie die große Koalition sich vor diesem Thema zu drücken versucht. Verfrüht sei die Diskussion, heißt es. Die Vorsicht ist verständlich. Denn Union und SPD droht ein ernsthafter Dissens.

Das größte Problem für die Union heißt Franz Josef Jung. Er ist Verteidigungsminister und gewissermaßen der Problembär im Kabinett. Innerhalb kurzer Zeit trat Jung gleich zweimal in einen dicken Fettnapf. Ausgerechnet in der sensibelsten Frage der internationalen Politik, dem Atomstreit mit dem Iran, löste er Ende Juni mit einer unbedachten Bemerkung ärgerliche Verwicklungen aus. Unter Aufsicht von UN-Inspektoren, sagte Jung, könne Teheran durchaus die Anreicherung von Uran zu friedlichen Zwecken gestattet werden. Prompt handelte er sich einen Rüffel ein – und ruderte zurück.

Knapp vier Wochen später, derselbe Minister, dasselbe Muster. Ja, meinte Jung am Montag forsch, einen Einsatz der Bundeswehr im Libanon halte er grundsätzlich für möglich. Wieder gibt es Zoff, wieder muss Jung Kritik einstecken, wieder rudert er zurück. Unendlich groß ist die Nachsicht der Kanzlerin und ihres Außenministers sicher nicht. Was Jung ihnen einbrockt, müssen sie auslöffeln.

Die SPD hat ein anderes Problem – sich selbst. Ihr voriger Kanzler hatte sie gelehrt, wie populär ein lautes Nein zu einem Militäreinsatz sein kann. Deutsche Soldaten im Libanon, ausgestattet mit einem robusten Mandat, müssten indes im Zweifelsfall kämpfen. Stünden sie damit nicht genau in jenem „Abenteuer“, vor dem Schröder mit Blick auf den Irak so inständig gewarnt hatte? Viele Sozialdemokraten werden sich fragen: Soll die Bundeswehr für Israel bloß die Drecksarbeit erledigen und auf diesem Weg in den amerikanischen „Kampf gegen den Terrorismus“ verwickelt werden? Dieser Verdacht könnte die Partei zerreißen.

Außerdem hat sich noch etwas geändert. Weder bei Schröders Ja zum Kosovokrieg noch bei seinem Nein zum Irakkrieg waren Union und FDP veritable Opponenten. Diesmal indes lehnen alle drei Oppositionsparteien einen Bundeswehreinsatz im Libanon ab. Damit treffen sie eine verbreitete Stimmung – und bringen die SPD, weit mehr als die Union, in die Zwickmühle. Mit dem Slogan, die einzige „Friedensmacht“ zu sein, war die Partei in den letzten Wahlkampf gegangen. Was bleibt von ihr, wenn selbst das nicht bleibt?

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