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Im WORlaut: Wer sich verweigert: „Bibi“ und die 68er

Pressestimmen zum Besuch von Israels Premier Benjamin Netanjahu in Berlin - und zur gescheiterten Neuauflage des "Springer-Tribunals".

In dieser Woche kommt Israels Premier Benjamin Netanjahu zum Antrittsbesuch nach Berlin. Der diplomatische Korrespondent des „Spiegels“, Erich Follath, schreibt dazu:

„Vielen Israelis kommt es so vor, als nähme sich der Nahost-Konflikt eine Auszeit, als könnten sie sich einigermaßen bequem einrichten im Status quo – und sie rechnen das der Hardliner-Regierung unter Benjamin Netanjahu, 59, als Verdienst an. Seit knapp fünf Monaten ist der Umstrittene an der Macht, zum zweiten Mal Ministerpräsident, seine Amtszeit von 1996 bis 1999 gilt als wenig glanzvoll. Aber derzeit ist ,Bibi’ populär, Kompromisslosigkeit hat Saison. Und so reist er mit viel Rückendeckung zu Gesprächen mit den Verbündeten. Am Montag trifft er in London George Mitchell, den Nahost-Beauftragten der US-Regierung, am Mittwoch wird er in Berlin erwartet.

Mitglieder seines 30 Minister starken Kabinetts und eine erzkonservative Presse hämmern in diesen Tagen eine verführerische Botschaft: warum schmerzliche Kompromisse mit den Palästinensern eingehen, warum überhaupt in Friedensverhandlungen eintreten, wenn es auch so Ruhe gibt? Warum die illegalen Siedlungen aufgeben oder auch nur den Ausbau stoppen, wie es Präsident Barack Obama fordert, wenn doch keine Sanktionen drohen und man für alle Fälle ein zusätzliches Faustpfand hat? Warum nicht die schweren Menschenrechtsverletzungen durch die israelische Armee beim Gaza-Krieg zum Jahreswechsel, verurteilt durch die Uno, einfach ignorieren?“

Der Springer-Verlag wollte, 40 Jahre nach 1968, eine Neuauflage des sogenannten „Springer-Tribunals“, um über die Rolle des Zeitungskonzerns bei den Studentenunruhen zu debattieren. Nun wurde das Vorhaben abgeblasen, weil kaum ein Wortführer der 68er der Einladung folgen wollte. Dazu schreibt Thomas Schmid, der Chefredakteur der „Welt am Sonntag“:

„Viele 68er halten sich gerne für sehr offen, der Diskurs – das Königsmedium der freien Gesellschaft – ist ihnen wichtig. Scheinbar. Mit Springer-Leuten über Springer und Anti-Springer zu reden: So weit reicht die Diskursbereitschaft dann doch nicht. Wären die Rollen klar verteilt – Springer auf der Anklagebank, 68er als Ankläger –, dann sagte ihnen die Sache schon zu. Wer so redet und handelt, ist im Grunde arm dran. Er verteidigt seine Vergangenheit, auf die kein kritischer Lichtschein fallen darf. Er ist am Gespräch gar nicht interessiert, weil er sich noch immer in der Rolle des Richtenden sieht. Das Kollektiv der Neinsager, das da gezimmert wird, ist kläglich. Und selbstgerecht. Sie haben das Gespräch verweigert! Das soll antiautoritär sein?“

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