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Im WORT laut: Die Amerikaner küren ihren König

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch deutscher Zeit treten Barack Obama und Mitt Romney zum zweiten Fernsehduell gegeneinander an. Auf der Webseite „Project Syndicate“, die Texte internationaler Politiker und Wissenschaftler publiziert, macht sich Ian Buruma Gedanken über Sinn und Zweck dieses Rituals.

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch deutscher Zeit treten Barack Obama und Mitt Romney zum zweiten Fernsehduell gegeneinander an. Auf der Webseite „Project Syndicate“,

die Texte internationaler Politiker und Wissenschaftler publiziert, macht sich Ian Buruma Gedanken über Sinn und Zweck dieses Rituals. Buruma ist Professor für Demokratie, Menschenrechte und Journalismus am Bard College im Bundesstaat New York. Er schreibt:

„Die Kandidaten der US-Debatten stellen sich sorgfältig ausgewählten Journalisten, die nur selten nachfragen. Und die Leistung der Kandidaten wird weniger nach der Substanz ihrer Argumente beurteilt, als vielmehr nach der Art der Präsentation, nach Körpersprache, Gesichtszuckungen, unwillkürlichem Seufzen, Lächeln, verächtlichen Lauten und ungewolltem Augenrollen. Kommt der Kandidat als Snob rüber oder als freundlicher Typ, dem man trauen kann? Sieht sein Lächeln echt aus oder gestellt?

(...) Wenn die 17 Prozent unentschiedener Wähler bislang nicht durch die Politik oder durch ihre Einstellungen zu einer Entscheidung gelangen konnten, brauchen sie eben etwas anderes. Sie wollen sehen, welchen der beiden sie lieber mögen. Man kann annehmen, dass für sie die Debatten nur eine Art Persönlichkeitswettbewerb sind. Bei vergangenen Wahlen, als die Unterschiede zwischen Demokraten und Republikanern nicht so groß waren, hat das Sinn gemacht. (...) Dieses Mal allerdings scheint es weniger gerechtfertigt, eine so willkürliche Entscheidung zu treffen. Die Unterschiede sind zu groß. Und dennoch gibt es einen Grund, diesen Persönlichkeitswettbewerb nicht völlig abzulehnen.

Die amerikanische Präsidentschaft ist schließlich eine quasi-monarchische Institution, ebenso wie eine politische. Der Präsident und die First Lady sind der König und die Königin der amerikanischen Republik – die offiziellen Gesichter, die die Amerikaner im Rest der Welt repräsentieren. Es ist von daher nicht völlig absurd, dass die Wähler wollen, dass ihre Präsidenten gut aussehen, einmal ganz abgesehen von den Verdiensten ihrer Politik (...).

Auf jeden Fall ist diese Art auszuwählen nicht willkürlicher als der Zufall der Geburt, der bestimmt, wer das Recht hat, König oder Königin über ein Land zu sein.“

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