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Im WORT laut: Jamaika!

Von der Zukunftsfähigkeit eines schwarz-grünen oder Jamaikabündnisses auf Bundesebene ist Ex-Außenminister Joschka Fischer auf "Zeit online" überzeugt.

Selbstverständlich wird die Hamburger Koalition – entgegen allen Dementis – das entscheidende Vorbild für den Bund sein, wenn dies die Verhältnisse möglich machen oder gar erzwingen sollten. Was denn sonst? Zudem geht es seit den Koalitionsverhandlungen von Hamburg nicht mehr nur um numerische Mehrheiten für Schwarz- Grün, sondern vor allem um politische Inhalte. Die Frage, was zusammen in der Umwelt-, in der Wirtschafts-, in der Sozial-, in der Bildungspolitik etc. geht und was nicht, wird in Zukunft Maßstab sein, nicht länger der politische Tabubruch. Insofern wird eine erfolgreiche schwarz-grüne Koalition in Hamburg die politische Landschaft der Bundesrepublik grundsätzlich verändern. Zum zweiten Mal erweisen sich so die Grünen in ihrer noch jungen Parteigeschichte als entscheidender Veränderungsfaktor des bundesdeutschen Parteiensystems. Und dafür muss man sich als Partei mitnichten verstecken oder gar schämen, ganz im Gegenteil. (…)

Warum zieren sich dann die Parteiführungen so offensichtlich, öffentlich Klartext zu reden? Warum sagen Angela Merkel, Claudia Roth und Renate Künast nicht einfach, dass Hamburg, wenn es funktioniert, selbstverständlich ein Vorbild für den Bund sein kann und sein wird? Ganz einfach: Die Parteiführungen wollen erstens jetzt innerparteilichen Krach und eine heillose Strategiedebatte mit einem für sie ungewissen Ausgang vermeiden. Das gilt auch für die CDU/CSU. Und zweitens wollen sie nicht unnötig jene Wähler verschrecken, die nicht eine Partei, sondern eine bestimmte Koalition mit ihrer Stimmabgabe zu wählen beabsichtigen. Ob diese Rechnung aufgeht, wird die Zukunft zeigen.

Gerade in ihren großstädtischen Hochburgen mussten sie z. B. in Hessen heftige Verluste hinnehmen. Lag dies an Schwarz-Grün? Am Aufstieg der Linken? Am Verlust der Machtperspektive von Rot-Grün? Vermutlich war es eine Mischung aus all diesen und anderen Faktoren. Auch deswegen wäre es den Parteiführungen wohl am liebsten, die Wahlergebnisse würden sie zu einer schwarz-grünen oder Jamaikakoalition zwingen. Damit könnten sie sich als „Opfer des Wählerwillens“ und nicht als strategisch handelnde Akteure präsentieren. Mutig ist eine solche Haltung nicht, wohl aber praktisch und damit verständlich.(…)

Wie sieht die Zukunft bis zur nächsten Bundestagswahl aus? Eine Koalition mit SPD und Linken wird 2009 kaum realistisch sein, weil die Linke bis dahin noch nicht regierungsfähig sein wird. Auch eine Ampel mit FDP und SPD wird immer unwahrscheinlicher, wenn sich die SPD weiterhin ruinieren und damit nicht genügend auf die Waage bringen wird. Also wird aus heutiger Sicht 2009 im Bund die Alternative für die Grünen wohl Opposition oder Jamaika lauten – und dies wird eine gleichermaßen reizvolle wie riskante Alternative sein.

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