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Meinung: In Brandenburg verloren

Vor der Landtagswahl: Die Stärke von Matthias Platzeck ist die Schwäche der SPD

So ist das mit Gewissheiten. Plötzlich geht es bei der Landtagswahl in Brandenburg am 27. September, die bisher im Schatten der Bundestagswahl stand, um das politische Überleben von Matthias Platzeck. Dabei schien die Wiederwahl des Homo Sympathikus in Potsdam, der beim Wahlvolk wie kein anderer beliebt ist, der die „kleine DDR“ mental gelüftet und real aufwärts geführt hat, Formsache. Jetzt liegt hier seine SPD nur noch knapp vor der Linkspartei. Drohen Thüringer Verhältnisse?

Stellt man das Brennglas schärfer, dann ist vieles anders. Merkwürdig, niemand ist in Sicht, der Platzeck überhaupt stürzen will. Er zieht auch nicht wie Dieter Althaus angeschlagen in die Wahl, drei von vier Brandenburgern wollen weiter von ihm regiert werden. Herausforderer? Fehlanzeige, ein Novum in Deutschland. Weder die Linke noch die Union führen überhaupt Wahlkampf gegen ihn. Eine Linke Kerstin Kaiser ist, nicht nur wegen des Makels der früheren Stasi-Spitzelei, kein Bodo Ramelow. Und eine Johanna Wanka kein Jörg Schönbohm. Die Christdemokratin hat genug zu tun, den vormals zerstrittenen Haufen einigermaßen geschlossen zu halten, was ihr passabel gelingt.

Und die Linken? Die wissen schon, weshalb sie in Brandenburg eben auch jetzt nicht zum Sturm blasen. Das hat einerseits mit Taktik zu tun, der Traum von Rot-Rot würde endgültig platzen. Die nach 20 Jahren ermüdete Opposition bräuchte aber die Regenerierung in einer Regierung. Andererseits führt die SPD nur knapp. Aber nicht, weil die Linke wie in Thüringen oder im Saarland dramatisch gewinnt. Die Sozialdemokraten, das ist der Unterschied, büßen an Zustimmung ein. Alles andere wäre angesichts des Sturzflugs im Bund auch ein Wunder – was die Sache für die SPD nicht besser macht. Die Befunde sind dramatisch: Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zieht offenbar nicht einmal in seiner neuen Wahlheimat richtig. Ohne Platzeck, dies gilt mehr denn je, wäre die SPD auch in Brandenburg verloren. Die Stärke eines der letzten Ausnahmepolitiker im Osten ist, was viele Genossen verdrängen, auch eine Achillesferse. Wie schnell alles anders kommen kann, hat Thüringen gerade erlebt. Und auch die märkische Partei hatte die längst vergessene Schocksekunde, als Platzeck wegen eines gesundheitlichen Kollapses als SPD-Bundeschef zurücktrat. Und wenn es doch zum Betriebsunfall kommt, obwohl die Perspektive, ja der Wille eines Machtwechsels fehlt?

Brandenburg wäre aus den Fugen. Die SPD würde nie Junior bei Rot-Rot, vielleicht Rot–Schwarz. Alles wäre möglich – ohne Matthias Platzeck. Genau diese bis dato undenkbare Unberechenbarkeit werden die Sozialdemokraten nun bis zum 27.September in jedes Dorf tragen. Man darf prophezeien, dass dies seine Wirkung nicht verfehlen wird. Die Märker sind ein eher konservativer Menschenschlag, der geordnete, stabile Verhältnisse bevorzugt. Vielleicht hätte Matthias Platzeck nichts Besseres passieren können, als dass er doch noch einen Gegner bekommt.

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