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Internet: Krake Google

Google gilt vielen als Bedrohung, doch in China zeigt das Unternehmen nun politisch Haltung.

Von der Krake Google ist häufig die Rede, von der unheimlichen Macht des weltgrößten Internetkonzerns, der als Suchmaschine groß wurde und heute fast alles anbietet, was man im Netz so braucht. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy will mit einer Google-Steuer Werbegewinne abschöpfen, und die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wünscht sich neue Gesetze, um Google in den Rechtsstaat einzupassen.

Es sind vor allem zwei Dinge, die Kritiker auf den Plan rufen: Erstens die uniforme, furchteinflößende Größe des Konzerns und mit ihr auch der gigantische unternehmerische Erfolg. Google dürfte im alten Jahr unterm Strich wohl so um die sechs Milliarden Dollar verdient haben – und das mit Gratis-Produkten. Zweitens kennt Google alle, wirklich alle Bedürfnisse der Menschheit in Echtzeit. Was am häufigsten in die Google- Maske getippt wird, ist für Wirtschaftsforscher schon zum validen Konjunkturindikator geworden.

Doch wer Google als eine Bedrohung für die Demokratie sieht, muss etwas umdenken. Es sind nicht Guido Westerwelle oder Hillary Clinton, die Chinas Autokraten in die Knie zwingen können. Auch die stolze deutsche Wirtschaft (die den Titel Exportweltmeister gerade an China abgibt) gibt nicht viel auf die Menschenrechte, sondern verkauft lieber so viele Autos und Maschinen wie nur möglich. Wo soll der Aufschwung schließlich herkommen, wenn nicht aus China?

Nein, es ist die böse Krake, die den Machthabern in Peking die Stirn bietet. „Ein neuer Ansatz für China“ steht lapidar über der Google-Mitteilung, die es in sich hat. Nach Hackerangriffen, die vermutlich vom Staat gesteuert wurden, prüft Google den Rückzug ausgerechnet aus der Nation, die seit kurzem die meisten Internetnutzer der Welt zählt. Auf wie viel Umsatz Google verzichten würde, lässt sich nur schätzen – vermutlich geht es um einen dreistelligen Millionenbetrag. Zwei Prozent des weltweiten Umsatzes, vielleicht drei. China hingegen hat viel mehr zu verlieren: sein Gesicht in der Welt nämlich. Google kann auf China verzichten, aber kann China auf Google verzichten? Die Größe des Konzerns, seine wirtschaftliche Potenz, seine Allwissenheit könnten also wirklich zu mehr Demokratie führen.

Täuschen sollte man sich indes nicht: Mehr Demokratie ist vielleicht das Ergebnis, nicht aber das Ziel der neuen Google-Politik. Das Unternehmen könnte es sich schlicht nicht leisten, wenn sich Nutzer weltweit von ihm abwendeten, weil die Vertraulichkeit von Mailaccounts und Suchanfragen nicht gewährleistet ist. Und auch den politischen Gegnern, ob in Frankreich, Deutschland oder sonstwo, lässt sich so etwas Wind aus den Segeln nehmen.

Google gelingt es, eine dringend notwendige politische Haltung mit einer sinnvollen wirtschaftlichen Überlegung und einem PR-Erfolg zu verbinden. Verwerflich ist das nicht. Aber verdammt clever.

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