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Joachim Gauck

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Joachim Gauck in der Türkei: Besuch beim Dünnhäutigen

Joachim Gauck sollte bei seinem Besuch in der Türkei die Bedeutung von Freiheitsrechten unterstreichen.

Wenn Bundespräsident Joachim Gauck bei seinem Türkei-Besuch mit Regierungsvertretern in Ankara spricht, sollte er unmissverständlich klarstellen, dass einige Entscheidungen der Erdogan-Regierung in jüngster Zeit gegen die Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates verstoßen. Erdogan dürfte den Gast zwar im Gegenzug mit deutschen und europäischen Defiziten konfrontieren, doch das muss Gauck nicht kümmern. Die türkische Regierung sollte bei seinem Besuch nicht den Eindruck gewinnen, dass ihr Verhalten vom Westen hingenommen oder abgenickt wird.

Massenversetzungen in Polizei und Justiz, Zugangssperren für Twitter und Youtube, mehr Einfluss der Regierung auf die Justiz, Ausbau der Geheimdienst-Befugnisse – Erdogan präsentiert all dies als notwendige Abwehr gegen angebliche Angriffe von Regierungsgegnern. Doch in der Summe bewirken diese Maßnahmen einen erheblichen Abbau von Kontrollmechanismen, mit denen in einer Demokratie die Mächtigen im Zaum gehalten werden. Der türkische Premier sieht überall Verschwörungen regierungsfeindlicher „paralleler Strukturen“ im Staatsapparat und argumentiert, seine eigenen Freiheitsrechte seien unter anderem durch illegale Abhöraktionen verletzt worden. Dagegen müsse er sich wehren. Erdogans Gegner sehen die Türkei dagegen auf dem Weg in den Polizeistaat.

Gauck ist der erste westliche Präsident, der in dieser angespannten Situation die Türkei besucht. Man darf von dem 74-Jährigen, der die Freiheit zum Leitthema seiner Präsidentschaft gemacht hat, einige Kommentare zur Lage der türkischen Demokratie erwarten. Wahrscheinlich wird der Bundespräsident eine Rede an einer Universität in Ankara am Montag dazu nutzen, die Bedeutung der Freiheitsrechte zu betonen. Er sollte es nicht bei ein paar Allgemeinplätzen belassen, sondern möglichst konkrete Beispiele aufzählen. An der Universität, an der er spricht, gab es in den vergangenen Monaten gewälttätige Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Studenten, die sich gegen ein Straßenbauprojekt auf dem Gelände der Hochschule wehrten.

Offene Worte Gaucks würden jene in der Türkei ermutigen, die sich gegen Erdogans Machtkonzentration wehren. Der türkische Verfassungsgerichtspräsident Hasim Kilic zum Beispiel betonte am Freitag in einer Rede im Beisein Erdogans die zentrale Rolle international gültiger demokratischer Werte und des Rechtsstaates. Zugleich wies er Erdogans Machtanspruch in die Schranken: In einer Demokratie seien der Willkür der Regierung Grenzen gesetzt. Und übrigens sei die Justiz kein Befehlsempfänger der Regierung. Kilic hatte Erdogan kürzlich geärgert, indem er die Freigabe des gesperrten Zugangs zu Twitter anordnete. Kilics Äußerungen zeigen, um was es geht: um das Risiko, das von unkontrollierter Regierungsmacht ausgeht. Auf die Rede des Verfassungsgerichtspräsidenten reagierte Erdogan, indem er offenbar verärgert den Saal verließ. Auch Gauck muss sich darauf gefasst machen, dass der für seine Dünnhäutigkeit bekannte türkische Premier wütend wird, wenn er kritisiert wird. Leicht wird der Besuch nicht.

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