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Google mischt sich mit einer Kampagne gegen das Leistungsschutzrecht auch in die Politik ein.

© Reuters

Kampagne gegen Leistungsschutzrecht: Google kämpft für sich selbst - nicht für das Netz!

Google macht jetzt mit einer Kampagne gegen das Leistungsschutzrecht auch Politik. Das ist gefährlich, meint Sidney Gennies. Denn Google kämpft nur so lange für die Freiheit des Internets, wie es der eigenen Gewinnmaximierung dient.

Glaubt man Google, ist das Internet, so wie wir es kennen, dem Untergang geweiht: "Seit über zehn Jahren kannst Du finden, was dich bewegt", mit diesen Worten wendet sich der Konzern in einem Kampagnenvideo an seine Nutzer. "Ein Gesetz will das ändern. Willst du das?", fragt Google weiter. Es geht um das umstrittene Leistungsschutzrecht, das Zeitungsverlage an den Gewinnen beteiligen soll, die Google mit seiner Suchmaschine macht. Mit Informationsvielfalt und Freiheit im Internet hat das viel zu tun. Doch Google - wie auch den Verlagen - geht es vor allem um eines: Geld.

Wahr ist, dass das Leistungsschutzrecht äußerst problematisch ist. So ist beispielsweise nicht klar, ob das Leistungsschutzrecht nur für große Player wie Google gilt, die sich die Verlinkung auf fremde Inhalte zum Geschäftsmodell gemacht haben, oder auch für kleine und große Blogs, die auch eigene Inhalte anbieten und zur Informationsvielfalt eines freien Netzes einen Beitrag leisten. Diskussionswürdig ist ebenfalls, ob das Leistungsschutzrecht den tatsächlichen Urhebern zugute kommt, also den einzelnen Journalisten und Autoren. Denn sie geben ihr geistiges Eigentum ja an Verlage ab, die durch das neue Gesetz nur noch mehr Möglichkeiten hätten, Gewinn daraus zu schlagen. Und schließlich übergehen die Verlage in der Debatte nur allzu gern, dass sie selbst ganz einfach den Google-Suchroboter von den eigenen Seiten aussperren könnten und dann auch nicht unter den Suchergebnissen auftauchen würden. All diese Einwände sind richtig und notwendig für die Debatte. Auch deshalb ist es verständlich, dass die Solidarität mit der Kampagne von Google im Netz, insbesondere auf Twitter, so groß ist.

Doch die Kampagne "Verteidige dein Netz" orientiert sich nur vordergründig an den berechtigten Bedürfnissen der Bürger nach umfänglicher und uneingeschränkter Information im Internet. Die Geschichte lehrt uns anderes: So setzte sich Google zunächst an die Spitze der Bewegung zur Netzneutralität in den USA. Gefordert wurde damals im Kern, dass Provider alle Daten gleich behandeln müssen, also etwa Anbieter nicht dafür bezahlen können, dass ihre Inhalte schneller geladen werden als die der Konkurrenz. Auch damals fand Google dafür viele Unterstützer, zog sich jedoch aus der Debatte in eben jenem Moment wieder zurück, in dem seine finanziellen Interessen vertraglich gesichert waren. Für Internetverträge auf mobilen Geräten galten die Netzneutralitätsbestimmungen in der Folge nicht. Die Ziele der Netzgemeinde waren verfehlt, doch Google hatte seine Marktanteile verteidigt.

Das ist für ein profitorientiertes Unternehmen nicht ungewöhnlich. Doch Google ist die meistgenutzte Suchmaschine der Welt. Google bestimmt (fast) allein, was wir vom Internet zu sehen bekommen und was nicht. Nur zu gern würden wir deshalb glauben, dass der Konzern seine Macht aus diesem Verantwortungsbewusstsein heraus nutzt und selbstlos unser Netz verteidigt. Doch der Internetkonzern ist nicht Opfer staatlicher Überregulierung, sondern aufgrund seiner Monopolstellung auch ein Problemfall für ein freies Internet.

Sicher, die Verlage haben sich mit ihrer Ideenlosigkeit selbst in eine auswegslose Situation gebracht. Sie haben es nicht verstanden, ihre Inhalte im Internet zukunftsfähig zu vermarkten und wollen nun ein Stück von Googles Wohlstand abhaben. Auch dass Google seine Gewinnmarge nicht schmälern möchte, ist verständlich. Doch die Suchmaschine jetzt als Heilsbringer zu feiern ist gefährlich. Vielmehr muss sich die Gesellschaft fragen lassen, wie viel Einfluss sie Google noch einräumen will. Gerade wirft sich der Konzern mit seiner gesamten Marktmacht gegen einen Gesetzentwurf, der von gewählten Vertretern der Bevölkerung beschlossen werden soll. An der renommierten Humboldt-Universität bildet Google in einem eigenen Internetinstitut die Bildungselite der Zukunft aus. Google macht längst Politik - im eigenen Interesse. Pressefreiheit, ein unbeschränktes Internet und Informationsvielfalt sind da allerhöchstens positive Nebeneffekte, die Google in Kauf nimmt, wenn es den eigenen Gewinnzielen nicht im Wege steht.

Die Chance in der neuen Kampagne liegt nun vielleicht darin, dass Google endlich offen seine Zähne zeigt.

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