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Tagesspiegel-Kolumnistin Pascale Hugues liest und diskutiert im Tagesspiegel-Salon.

© Thilo Rückeis

Mon BERLIN: Kampf dem Flammkuchen mit Ananas

Die Deutschen werfen uns Griechen und Franzosen Reform-Unfähigkeit vor, dass wir uns an Traditionen und Privilegien klammern. Aber bei Croissant und Feta hört der Spaß eben auf.

Doch, gute Ehen gibt es. Diese Paare, deren Begegnung von Unkenrufen begleitet waren und die dennoch jahrzehntelang halten. Diese Wesen, die auf den ersten Blick alles zu trennen scheint, die sich aber trotzdem harmonisch verbinden. Zum Beispiel Lamm und Minze. Zwei Individuen von eigenwilligem Charakter – wenn ich der englischen Köchin und Dichterin Eliza Acton glauben darf, Verfasserin des 1845 erschienen Werkes „Modern Cookery for Private Families“, meiner Bibel in Fragen der britischen Kochkunst. Wer hätte an diese ewige Liebe geglaubt? Ein Tier und eine Pflanze, zwei unterschiedliche Gattungen. Fleisch mit ausgeprägtem Eigengeschmack und die Blätter eines Verdauungstees haben a priori nichts miteinander zu schaffen. Oder Gin und Tonic. Ein fast symbiotisches Paar, treffen sie sich doch Abend für Abend in den Bars. Noch unwahrscheinlicher: Foie gras und schwarze Schokolade. Eine Fürstenehe, so extravagant und so subtil. Sauerkraut und Seeteufel, ein verrückter Ehebruch und dabei so zart! Sehen Sie nur, wie sie sich schwarz ärgern, Eisbein, Frankfurter Würstchen und andere Schweinereien, weil sie mit einem blassen Fisch betrogen wurden.

Schmilzt auf der Zunge, ist knusprig zwischen den Zähnen und lässt sich auf den Hüften nieder

Aber es gibt auch unglückliche Ehen. Diese fatal attractions, diese gefährlichen Liebschaften, zerstörerisch und zum Scheitern verdammt, die nie hätten geschehen dürfen. Flammkuchen und Ananas zum Beispiel. Ich bin Elsässerin, und wann immer ich auf einer Speisekarte im Restaurant oder an einer Imbissbude die Deklination der Flammkuchen lese, sehe ich rot. Flammkuchen mit Apfel, mit schwarzen Oliven, mit Kräutern der Provence, mit Ziegenkäse… aber die widernatürlichste Kombination ist der Flammkuchen mit Ananas. Elsass und Karibik, das passt wirklich nicht zusammen. Vor allem bei Ananas aus der Dose. Nein und dreimal nein!

Wie Sie gemerkt haben, bin ich ultrakonservativ. Nur zu – ich stehe zu meiner Überzeugung: altmodisch! Nicht experimentierfreudig! Langweilig! Von der kulinarischen Globalisierung abgehängt! Vor Kurzem habe ich gelesen, dass die Griechen sich für den Schutz der Herkunftsbezeichnung Feta erhoben haben. Dieser Käse aus Schafs- und Ziegenmilch gehöre notwendig zu ihrem kulturellen Erbe, sagen sie. Man müsse alle Imitationen weltweit „nach Feta Art“ nennen. Was für ein hübscher Aufruhr von Nationalstolz in diesen Zeiten der wirtschaftlichen Umwälzungen. Auch das taumelnde Frankreich könnte in einen Kreuzzug für den Schutz des Croissants ziehen. Ja genau, sprechen wir über das Croissang, wie man hier sagt. Unglaublich, welche Dreistigkeiten die Berliner sich mit diesem Wappen unserer nationalen Identität erlauben! Laugencroissant – das kann man mit einer Brezel machen, aber nicht mit einem Croissant! Mit Käse überbacken … ich fange gleich an zu schreien! Butter-Croissant… Butter-Croissant? Das ist doch ein Pleonasmus. Woraus sollen die Croissants denn sonst bestehen? Bio-Croissants … eine Absurdität. Nein, das Croissant gehört nicht ins Arsenal der gesunden und biologischen Lebensmittel. Es ist fett (mit Butter, ja genau!), aber leicht und von fast duftiger Beschaffenheit. Es schmilzt auf der Zunge, ist knusprig zwischen den Zähnen und lässt sich später auf den Hüften nieder. Nicht wie diese Bio-Croissants mit Vollkornmehl, schwer wie ein Brikett, grau wie ein Novembermorgen, trist, so trist. Elegant und zierlich, bitte schön! Nicht wie diese aufgeblähten, weichen, dickleibigen Wale, die in den Schaufenstern der Berliner Bäckereien gestrandet sind.

Wir werden niemals nachgeben!

Ich fordere wie für den griechischen Feta auch für den Flammkuchen und das Croissant Markenschutz „appellation contrôlée“! Schließlich wird er dem Champagner auch gewährt. Griechen, Franzosen, wir, die Armen Europas, vereinigen wir uns! Ich weiß, dass die Deutschen uns unsere Apathie vorwerfen, die Unfähigkeit, unsere Länder von Grund auf zu reformieren. Ich weiß, dass sie von der fast suizidalen Art und Weise genervt sind, mit der wir uns an Traditionen und frühere Privilegien klammern. Aber bei Croissant und Feta hört der Spaß auf. Da werden wir niemals nachgeben! No pasarán!

Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke

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