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Die Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei der Anhörung der Klage aus Portugal.

© dpa/FREDERICK FLORIN

Kann Justiz die Welt retten?: Wenn Klimapolitik hingerichtet wird

Es gibt verschiedene Wege, die globale Krise vor Gericht zu bringen. Manche gehen in die richtige Richtung, während jener der „Letzten Generation“ in Abgründe führt.

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Der Fall „Duarte Agostinho and Others v. Portugal and Others“ ist so groß, wie er klingt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) berät über eine ungewöhnliche Art der Sammelklage.

Es versammeln sich nicht Kläger – es handelt sich lediglich um sechs junge Leute aus Portugal – sondern es werden mehr als 30 Staaten als Beklagte versammelt.

Die Kläger werfen den Regierungen vor, mit einer verfehlter Klimapolitik ihre Menschenrechte verletzt zu haben (Az.: 39371/20).

Ein Novum für das Straßburger Gericht, das über die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wacht. Eigentlich klagen hier nur Bürger gegen ihren eigenen Staat.

Und dies dürfen sie nur, wenn sie zuvor alle Instanzen in ihren Heimatländern durchlaufen haben. Die Portugiesen sagen: Nicht mit uns, wir haben keine Zeit. Die Staaten haben alle zusammen versagt, freiwillig läuft nichts. Jetzt braucht es Druck.

Diesen Sound kennt man von einer Klima-Aktivisten-Gruppe, die den Gerichtssaal ebenfalls für sich entdeckt hat. Gegen Mitglieder der „Letzten Generation“ laufen allein in Berlin mehr als 2000 Strafverfahren.

Ihre Straßenblockaden inszenieren sie als Form höherer Gewalt und möchten dies von der Justiz spektakulär beglaubigt wissen: Freispruch, weil ihnen im Angesicht der Katastrophe keine Wahl geblieben sei.

Die EGMR-Klage ist schon jetzt ein Riesenerfolg. Dass sie öffentlich verhandelt wurde, dazu noch vor der Großen Kammer des Gerichts, ist im Prinzip eine Sensation.

Der Prozess wird Folgen haben

Selbst wenn sie im Ergebnis als unzulässig verworfen wird, erschöpft sich der Vorgang nicht im Symbolischen. Es wird ein Text produziert werden, den sich die Gerichte in Europa anschauen müssen, wenn dort weitere Klimaklagen verhandelt werden.

Ein Beitrag zur Dialektik der Staatsgewalten bei der Lösung eines Menschheitsproblems. Demokratie bei der Arbeit.

Der Rechtsweg der „Letzten Generation“ dagegen führt ins Abseits. Denn selbst wenn die Aktivisten irgendwann, irgendwo – vielleicht sogar vor dem EGMR? – Recht bekämen, wäre das letztlich ein Urteil, das einem hypermoralischen Rigorismus die Absolution erteilt.

Zu feiern gäbe es die eigene Gefallsucht. Fürs Klima täte sich nichts.

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