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Meinung: Kanzler-Kommissionen: Das Parlament der Rat der Räte

Deutschland, so will es das Grundgesetz, ist eine parlamentarische Demokratie. Will sagen, dass die Gewalt vom Volk ausgeht, und dass das Volk, also alle Wahlbürger, diese Macht für vier Jahre dem Bundestag anvertrauen, der wiederum alle weiteren Organe der Gewaltenteilung, auch die Exekutive wählt - und abwählen kann.

Deutschland, so will es das Grundgesetz, ist eine parlamentarische Demokratie. Will sagen, dass die Gewalt vom Volk ausgeht, und dass das Volk, also alle Wahlbürger, diese Macht für vier Jahre dem Bundestag anvertrauen, der wiederum alle weiteren Organe der Gewaltenteilung, auch die Exekutive wählt - und abwählen kann.

Deutschland ist, wie schon der Name Bundesrepublik besagt, eine förderalistische Demokratie: Der Wille der Länder, auch er ein durch Wahlen legitimierter Volkswille, schlägt sich in den Entscheidungen und Voten der Länderkammer, des Bundesrates nieder.

Dieses ABC der deutschen Verfassung verlor immer dann, wenn es einen starken Kanzler gab (dessen Kompetenz die Verfassung durch die fehlende Ministerverantwortung und durch den Riegel des konstruktiven Misstrauensvotums ohnehin stärkte), also in Zeiten absoluter Mehrheiten oder schwacher Koalitionspartner: Man sprach dann von einer Kanzler-Demokratie - das Parlament schien zu einer Zustimmungsmaschine zu degenerieren.

Gerhard Schröder, unser aller neuer Kanzler, von Beruf Populist und in der Gesinnung von einem geschmeidig eisernen Willen (wenn dies Paradox erlaubt ist), schien in seinem ersten Amtsjahr ein schwacher Kanzler - was uns, scheinbar, eine starke parlamentarisch ausgeprägte Regierungsausübung bescherte. Der Kanzler, abhängig von den Strömungen in seiner Partei und in den antogonistischen Spannungen der rot-grünen Koalition war ein wandelnder, Kompromiss suchender Vermittlungsausschuss: Seine fehlende ideologische Verankerung, sein Pragmatismus, mit dem er die "neue Mitte" suchte - und schließlich fand - schienen seine Schwäche auszumachen. Das hat sich gewaltig geändert, so gewaltig, dass viele besorgte Stimmen in dem "Prinzip Schröder", eine neue, eine populistische Staatsform aufziehen sehen: Statt der von der Verfassung programmierten Gewaltenteilung und dem Gleichgewicht der Kräfte einen Kanzler, der sich seine durchschlagende Autorität da sucht, wo er sie finden will.

Das war uns, jedenfalls uns Anhängern der Berliner Republik, willkommen, als er Kultur machte, die den Förderalismus listig umging. Auch die Aushöhlung der parteipolitisch geprägten Länderhoheit, des Gleichgewichts des Bundesrats, beobachtete die Öffentlichkeit nicht ohne Wohlwollen. Hier, in der Steuerreform und der Rentenreform, "kaufte" sich der Kanzler durch Bedienung föderaler Interessen die Zustimmung des Bundesrats, ein legitimes Verfahren, wenn auch an der Grenze des Macchiavellismus.

Mit größerem Unbehagen beobachteten politische Wächter und publizistische Ordnungshüter (als Vertreter der "vierten" Gewalt), wie sich der Kanzler Gremien bedient, die mit ihren Gewicht und ihrer Autorität die Gesetzgebung gewissermaßen durch Stimmung vorzuprägen suchen: die Rede ist von Schröders "Räterepublik": Ob im "Ethikrat", im "Bündnis für Arbeit", in der Zuwanderungs- oder der Bundeswehrkommission - stets versucht der "starke" Kanzler, die Meinung, die sich das Parlament zu bilden hat, vorzuprägen.

Ist das bedenklich? Ja, aber nur, wenn sich das Parlament das gefallen lässt, das heißt, wenn es seine Souveränität der letztendlichen Entscheidung nicht dazu benutzt, sich über den Sog einer vom Kanzler entfachten Stimmung hinwegzusetzen. Der Bundespräsident, das schwächste und autoritätsstärkste Verfassungsorgan zugleich, hat in der Ethik-Debatte gezeigt, wie das funktioniert. Das Parlament ist aufgerufen, es ihm nachzutun. Die Verfassung ist etwas, was ständig erprobt sein will.

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